Hunger.Macht.Profite.4

Das Filmfestival "Hunger Macht Profite" widmet sich an vier Spielorten in Österreich den unangenehmen Seiten des Essens. Ausbeutung, Hunger, Zusatzstoffe, Raubbau gehören unter anderem zum Themenacker. Das Organisatorenteam des Festivals beantworteten uns einige Fragen zu der Sache mit dem schlechten Fraß.

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Früher gab es diesen Stehsatz, dass man die ganze Welt bei andrer Verteilung der Resourcen problemlos ernähren könnte. Hat sich das noch verschärft oder werden mittlerweile weniger Nahrungsmittel vergeudet?

Es ließen sich mit den vorhandenen Ressourcen immer noch alle Menschen dieser Erde mit ausreichend Lebensmitteln versorgen. Mit dem Verteilungsproblem ist nicht nur gemeint, dass in manchen Regionen viel und in anderen Regionen wenige Lebensmittel produziert werden, sondern auch und vor allem eine ungerechte Verteilung von Bestimmungsmacht. Armut entsteht nicht aus Mangel an Einkommen, sondern aus Mangel an Macht. Damit liegt eine Lösungsstrategie für die Hunger- und Armutsproblematik nicht in einem Grundbedürfnisansatz, sondern in einem Grundrechtsansatz, in einer Selbstermächtigung und Selbstbestimmung. Das derzeitige Ernährungssystem richtet Schaden an der Umwelt an, beutet Mensch und Tier aus und verursacht Hunger. Eine Änderung des Systems ist deshalb notwendig und muss vor allem eine Änderung der Machtverhältnisse in der Produktions- und Verteilungskette beinhalten.

Wo ist Hunger auch in Österreich ein Problem?

Hunger betrifft in Österreich vor allem am Rande der Gesellschaft lebende Menschen. Er hat sicher nicht die Ausmaße wie in Ländern des Südens, allerdings wird er auch oft unterschätzt. Ein gravierenderes Problem ist die Mangelernährung, die durch geänderte Konsummuster und eine Einengung auf die Versorgung aus dem Supermarkt hervorgerufen wird. Konsummuster und Supermarktsystem bedingen sich gegenseitig und sind ihrerseits nur im Rahmen des Wertegerüsts des 21. Jahrhunderts zu verstehen.

In den Medien werden mittlerweile Fettleibigkeit und Zusatzstoffe in der Nahrung häufiger diskutiert als Hunger. Sollen diese Themen zukünftig auch stärker von den Filmtagen behandelt werden?

Die Filmtage "Hunger.Macht.Profite." legen ihren Fokus auf jene Themen, die von Medien ausgeblendet, uns gar verschwiegen werden – was bei den so genannten "Nicht-Zusatzstoffen" lange Zeit auch der Fall war. Die Filmtage basieren auf der Expertise der Projektträgerorganisationen, die im Menschenrecht auf Nahrung, im Zugang zu Ressourcen wie Land, Wasser, Saatgut, in Agrarpolitik, Wirtschaft und Finanzmarkt liegen. In jedem Fall schärfen sie das Bewusstsein, dass unsere Einkaufsgewohnheiten und unser alltägliches Handeln ein politischer Akt sind, der sich nicht allein in „korrektem Konsum“ erschöpft.

Mit Michael Moore und Al Gore erlebten sozialkritische Dokumentationen einen wahren Boom – hält dieser an und haben sich Dokumentarfilm in den letzten Jahren auch in Sachen Didaktik und Produktionsmittel weiterentwickelt?

Auch die Redaktionen öffentlich-rechtlicher Fernsehsender, insbesondere in Deutschland, erleben seit einigen Jahren, dass das Fernsehpublikum mehr Hintergrundinformationen will. Menschen wollen sich nicht für dumm verkaufen lassen. Dank der "Camcorder Revolution" und Videoplattformen hat sich sowohl die Filmproduktion wie auch die Distribution verändert. So überbrücken beispielsweise Menschenrechtsorganisationen wie www.witness.org unter dem Motto "see it, film it, change it" die "digitale Kluft", indem sie Einzelpersonen und lokalen Basisorganisationen Videoausrüstung, Training und Unterstützung beistellen.

Film aus Österreich scheinen mit "We Feed The World" und "Unser täglich Brot", aber auch "Food Design" eine besondere Nähe zum Thema zu haben. Lässt sich das sinnvoll erklären?

Das gestiegene Interesse an dem, was uns am nächsten ist, unserem täglichen Essen und Trinken, ist kein österreichisches Spezifikum. In aller Welt gibt es immer mehr Menschen und daher auch Organisationen und Bewegungen, die sich dem Thema Nahrung widmen. Es ist nur logisch, dass sich auch FilmemacherInnen diesem Thema widmen, in Österreich und in anderen Ländern.

Wird es einen Austausch zwischen den vier verschiedenen Veranstaltungsorten in Österreich geben?

Wir hoffen, mit den Jahren alle Regionen in Österreich mit den Filmtagen zum Recht auf Nahrung zu besuchen und damit die Vernetzung der Interessierten in den verschiedenen Regionen zu fördern.

Zeigen Projekte wie die Wiener Tafel, Berliner Tafel, Schweizer Tafel oder die Wiener Gruft nicht, dass auch profit-orientierte Unternehmen sozial handeln können?

Im Zuge der Debatte über gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility, kurz CSR) ist es nur zu begrüßen, dass die oben genannten Vereine, respektive die Einrichtung, deren Träger die Caritas der Erzdiözese Wien ist, Waren von profit-orientierten Unternehmen übernehmen. Das Netzwerk Soziale Verantwortung (www.nesove.at) ist in Österreich als Ansprechpartner zu empfehlen, wenn es um mehr als einen Marketing-Gag gehen soll.

Hunger.Macht.Profite.4 – Österreichweite Filmtage zum Recht auf Nahrung

07.-10.10.2010 Schikaneder Wien

14.-17.10.2010 Kino Lenzing

21.-24.10.2010 Localbühne Kino Freistadt

28.-31.10.2010 Cinematograph/Leokino Innsbruck

www.hungermachtprofite.at

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