Mit ihrem sechsten Langspieler erfinden HVOB sich und die elektronische Musik keineswegs neu, aber beide zeigen sich in guter Form.
Kickdrums im Viervierteltakt – klingelt da irgendwas in der Erinnerung? Falls nicht, hilft es künftig vielleicht, sich dieses Album aufzulegen, denn da wird nicht lange gefackelt. Der erste Track »Bruise« hämmert direkt los und schafft damit bereits die erste Überforderung, bevor man sich überhaupt hingesetzt hat. Bald aber erscheinen die Bilder von verschwitzten Dancefloors, getaucht in flackerndes Strobolicht, während Basslines die Körper schaukeln.
Nach vier Studioalben und dem »Live in London«-Piece im vergangenen Jahr veröffentlicht das Elektronik-Duo HVOB (Her Voice Over Boys), bestehend aus Anna Müller und Paul Wallner, den mittlerweile sechsten Longplayer. Das Album will ein wütender, zärtlicher, verletzlicher, aber auch entschlossener Bericht über den Seelenzustand einer Generation sein, die sich auf der Suche nach innerer und äußerer Zugehörigkeit befinde.
Sehnlich erwartete Clubnacht in Albumform
Tatsächlich entsteht dieser Eindruck erst, wenn man die acht Tracks zum zweiten, dritten Mal hört. Oder wenn man sich nicht von der Reminiszenzen an vermisste Clubnächte ablenken lässt und den Vocals sofort die gebührende Aufmerksamkeit schenkt. Die sind ganz HVOB-like eher trauriger, belasteter Natur und wirken, wie in »2:16« tatsächlich wie die Notizen aus dem zerfledderten Büchlein auf dem Schreibtisch, das mit jenen Gedanken fertigwerden muss, die nachts um viertel drei unbedingt noch aus dem Kopf müssen, damit man einschlafen kann. An anderer Stelle, etwa bei den schweren Dancefloor-Brettern »Kid Anthem« oder »Gluttony«, ist an Schlaf erst nicht zu denken. Wahrscheinlich mehrere Nächte lang nicht. Und mit »The Lack of You« klappt’s sogar mit dem gemeinsamen Runterkommen bei der Afterhour. Erinnerung?
»Too« ist kein Album der Innovation, aber warum soll es das auch sein, wo HVOB das, was sie machen, doch gut machen. Wer die bisherigen Alben des Duos mochte, wird auch mit diesem Freude an jeglicher Station der Nacht haben – auch wenn sie bis in den Tag hinein dauert.
Das Album »Too« von HVOB erscheint am 8. April bei PIAS Recordings. Die nächsten Gelegenheiten, das Duo live zu sehen: 21. April, München (DE), Muffathalle — 22. April, Zurich (CH), Kaufleuten — 23. April, Berlin (DE), Huxley’s Neue Welt — 30. April, Linz, Posthof — 5. Mai, Frankfurt (DE), Batschkapp — 6. Mai, Köln (DE), Live Music Hall — 8. Mai, Hamburg (DE), Gruenspan — 12. Mai, Stuttgart (DE), Im Wizemann — 14. Mai, Nürnberg (DE), Z-Bau — 15. Mai, Leipzig (DE), Conne Island — 21. Mai, Graz, Orpheum — 18. Juni, Wien, Arena — 15. Juli, Feldkirch, Poolbar Festival.