"Ich bin nicht Pinterest!"

Unsere Kollegen drüben bei Noisey Alps haben seit heute eine neue Chefin. Im Interview mit Isabella Khom haben wir erfahren, was Kärnten mit dem König der Löwen zu tun hat, wie man mit Hate umgeht und wie die Pläne für die Zukunft von Noisey aussehen.

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Schichtwechsel. Nach (ziemlich auf den Tag genau) zwei Jahren verabschiedet sich Jonas Vogt aus seiner Funktion als erster Noisey Alps Chefredakteur und reicht die Fackel an Noiseys very own Isabella Khom weiter, die nicht nur seine erste Praktikantin war, sondern den äußerst erfolgreichen Weg des Vice-Verticals in Zukunft weiterführen soll.

Isabella Khom ist 28, stammt aus Kärnten, wo sie eine Schule für Mode und Design besuchte und Noisey nach ihrem Praktikum als freie Autorin erhalten geblieben ist. Seit 2015 ist sie angestellt, ab heute sitzt sie im Chefsessel und bestimmt darüber, was man in den Alpen (unter Noisey Alps sind Schweiz und Österreich zusammengefasst) hören muss. Wir besuchten Isabella in der Lothringerstraße und unterhielten uns über Infografiken und Schlösser, aber auch darüber, worauf es wirklich ankommt: die Musik.

Wenn du dir einen Song aussuchen müsstest, der dich gut beschreibt, welcher wäre das?

Ich glaube, es ist Fever Ray "When I Grow Up", weil es da heißt When I grow up I want to be a forester / run through the moss on high heels – also durch das Moos auf hohen Schuhen laufen. Das reflektiert, was ich vom Leben denke: Man tut sein Bestes, schaut dabei auch manchmal lächerlich aus, aber irgendwie schafft man es trotzdem zu rennen.

Welcher deiner eigenen Artikel, die du bis jetzt bei Noisey geschrieben hast, ist denn dein liebster und warum?

Am meisten am Herzen gelegen ist mir im letzten Jahr der über die Szene in Kärnten, weil ich dort aufgewachsen bin. Ich habe der Band- und Musikkultur dort beim Sterben zugeschaut. Die kulturellen Highlights sind jetzt GTI-Treffen und Beachvolleyball – that’s it. Es war aber schön, weil ich für den Artikel mit Leuten gesprochen habe, die trotzdem an eine musikalische Szene in Kärnten glauben und die sich darum bemühen. Mit Kärnten ist es ein bisschen wie im König der Löwen, der Rest Österreichs ist das blühende Land und hinten ist Kärnten, so auf die Art "geh da nie hin!".

Deine Artikel für Noisey kommen aus unterschiedlichen Themengebieten, vom Einkleiden mit Fijuka bis zu Voices for Refugees bis zu klassischerem Musikjournalismus – man kann da jetzt schwer eine Tendenz oder eine bestimmte Spezialisierung festmachen. Möchtest du dein journalistisches Profil als Chefredakteurin schärfen? Und welche Dinge möchtest du stärker bei Noisey positionieren?

Mich als Person möchte ich gar nicht so hervorheben – mir geht es um das Medium. Meine Spezialität wird es jetzt nicht werden, Kommentare über die Wiener Clubkultur zu schreiben, zum Beispiel. Es wird sich dahingehend schärfen, dass ich nicht mehr so leichtfertig schreibe, also nicht "leichtfertig" das habe ich ja nie gemacht, aber du weißt schon was ich mein…

…ja, dir ist halt bewusst, es beobachten dich jetzt mehr Leute…

…genau das meine ich und das ist auch gut so, das dürfen sie auch. Mir geht es mehr um Noisey als Gesamtes. Und da wären wir eh schon bei der zweiten Frage. Ich mag Noisey wie es ist, deshalb werden die Veränderungen mehr punktuell und weniger grundlegend sein. Ich möchte noch mehr klassischen Musikjournalismus einbringen, größere Musikgeschichten, hierbei Augenmerk auf Bereiche, die mehr Fläche verdienen, wie zum Beispiel Indie und Gitarrenmusik, legen. Das sind Themen, die bei uns zu wenig behandelt wurden. Ich möchte noch spannendere Interviews, schöne Geschichten, die mehr erzählen als "He, wie seid’s ihr auf den Bandnamen gekommen". Was mir auch wichtig ist, ist mehr darauf zu schauen, was in den Bundesländern passiert. Wien wird aber die wichtige Basis bleiben. Wien ist ja nach London und New York die Stadt mit den drittmeisten Zugriffen weltweit.

Was sind denn so die drei wichtigsten Dinge, die du bis jetzt bei Noisey gelernt hast?

Zum einen, sich mit Dingen auseinandersetzen zu müssen, die außerhalb der eigenen musikalisch-kulturellen Komfortzone liegen. Du kannst ja nicht bei einem Musikmedium arbeiten und nicht wissen, wer die Glo Up Dinero Gang ist. Das nächste ist irgendwie offensichtlich, nämlich mit Kritik umzugehen, nicht alles persönlich zu nehmen. Ich habe auch gelernt im großartigsten Team der Welt zu arbeiten, das sich in die unterschiedlichsten Lebenswelten vortraut.

Vor Noisey warst du ja bei keinem anderen Medium, denkst du, dir fehlt in deiner neuen Funktion als Chefredakteurin die Außensicht auf Noisey/Vice? Wirds dir nicht schwerfallen, bekannte Pfade zu verlassen?

Nein, glaube ich gar nicht. Ich bin jetzt dort zu Hause, wo ich hinwollte. Ich bin ja mit Vice aufgewachsen und mich hat das immer schon fasziniert. Man muss halt, so gut das geht, Abstand nehmen, sich mal ausklinken und versuchen das Gesamtbild von außen zu betrachten. Und ich kommuniziere ja auch mit anderen Menschen…

Es ist halt schwierig im Vorhinein zu sagen, wie viel man wirklich verändert. Es ist ein Prozess. Wir leben in einer digitalisierten, schnellen Welt und ich glaube nicht, dass man sagen kann, "so wird es in 6 Monaten ausschauen".

Was musst du anders machen, was musst du gleich machen, um eine Steigerung der Zugriffe, die ja immer (auch) das Ziel ist, zu erreichen?

Wir müssen uns weiterhin mit den Dingen, die Leute interessieren, beschäftigen, wir werden weiterhin in die Lebenswelt unserer Leser eintauchen und diese analysieren und wir werden einfach schneller sein müssen. Wir werden beides brauchen: Das sehr Schnelle und die tiefe Analyse.

Wie schauen wir aus mit allem, was so "Multimedia" ist, also Video, Infografiken, Karten, whatever. Was möchtest du ausbauen?

Also Video ist bei Vice, und das schließt Noisey mit ein, immer ein Thema. Jetzt wo wir auch mit Fernsehen starten, wird das natürlich noch einmal wichtiger. Wir haben da schon einige Videokonzepte überlegt, die euch überraschen werden. Aber bis das wirklich in trockenen Tüchern ist, möchte ich lieber noch nicht zu viel verraten. Nur so viel: Es wird super. Infografiken? (Lachanfall) Ich bin nicht Pinterest!

Oida, ich mein "Wie viel Sex steckt in Marco Michael Wanda – die ultimative Infografik". Du weißt schon…

Für die nächsten 10 Minuten können wir kein konstruktives Gespräch führen, weil wir nicht über die Lustigkeit von Infografiken hinwegkommen, was man aus Situationskomik-Gründen jetzt schwer erklären kann. Wir steigen auf der nächsten Seite wieder bei Parties ein…

Bild(er) © Marlene Mautner
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