Ich mags, wenn du mir dabei zuschaust

Wer will schon anderen beim Zocken zuzuschauen? Circa 45 Millionen Menschen, monatlich und das alleine auf Twitch – Fenster und Epizentrum der Gaming Community. Der Zauber von all dem?

Die Events sind Spektakel, bei denen Tausende Fans, ihre Favoriten im Kampf um Preisgelder in Millionenhöhe, anfeuern – begleitet wird das Ganze von Kamerateams, Kommentatoren, Moderatoren und einer Aufbereitung, die Millionen Zuseher live und ein Vielfaches via On Demand in ihren Bann ziehen. Willkommen in der Welt der professionellen Sportübertragung. „Am liebsten in gemütlicher Atmosphäre, mit Freunden bei einem Bier.“, beschreibt Sched die Offline-Effekte von eSports. Fast wie normale Menschen mit normalen Hobbies.

Stolz, sich nicht verstecken zu müssen

Auf die Frage warum Leute so gerne beim Zocken zuschauen, kommt auch das gesellschaftliche Ansehen auf den Tisch. Distinktion würde man an der Uni wohl sagen. Trotz der riesigen Industrie, die mehr als das Filmbusiness umsetzt, werden Gamer gerne in eine dunkle Nerdecke gedrängt, von außen als auch von innen. Hey, ich bin richtig gut in „World of Warcraft“, das zieht auf Tinder wohl so gut wie wie Herpes. Dieses eine Sniperlevel in „Call of Duty 4“ taugt eher nicht für die Tischkonversation oder einen kleinen Scherz bei der Kaffeemaschine – im Gegensatz zu dringenderen Inhalten wie der einen Dirne aus „Austria’s Next Top Model“, Fußball oder die neue Aphex Twin. Twitch könnte und sollte der längst überfällige gesellschaftliche Eisbrecher für Gaming sein.

Man sei stolz sich nicht mehr verstecken zu müssen, bekomme endlich die Bestätigung und habe nicht mehr das Gefühl alleine zu sein, so Sched. Ob Twitch tatsächlich eine Integrationsfunktion übernimmt ist jedoch fraglich. Jeder der mit Gamern zu tun hatte weiß, dass sie unbewusst oder bewusst ihre eigene Sprache sprechen. Solange diese Sprachbarrieren nicht fallen, wird Twitch wohl ein mystischer Ort bleiben. Einer, der aber deutlich an Vielfalt dazu gewonnen hat. Obwohl die Gaming-Community nach wie vor von Mann dominiert wird, finden sich auffallend viele Streamerinnen, die sich nicht zuletzt großer Popularität erfreuen. Gaming ist längst keine Insel voller RL-Versager mehr, sondern Spielwiese von Jedermann- und Frau.

Partners In Crime

Und wo Aufmerksamkeit besteht, kann die Werbeindustrie nicht weit sein. So nippt der Lieblingsstreamer auffallend häufig an seiner Mountain Dew-Dose, während er dir die Vorteile eines Spieles nennt, welches zufällig auch als Poster an seiner Zimmerwand zu sehen ist. Einerseits ermöglicht dies das Bestehen von Plattformen wie Twitch und gibt Streamern die Chance im Idealfall davon leben zu können, andererseits bringt es auch die Frage nach der Integrität auf den Tisch, besonders seit der Akquise durch Amazon. Das Publikum ist sehr jung, einzelne Sender können dort fast sechsstellig verdienen. Ja, da wird es schnell ernst. Twitch selbst macht auch keinen Hehl daraus Geld verdienen zu wollen und freut sich über jeden Hersteller, der Twitch für seine Software implementieren will. So ist es auch für die Playstation 4 und die Xbox One verfügbar. Streamern können per „Partner“-Vertrag Werbeinhalte optimieren und kostenpflichtige Abonnements anbieten, Twitch nimmt sich nur sein Stück vom Kuchen.

Das „Fernsehen der Zukunft“ wird vielleicht nicht Twitch heißen, dazu sind die Inhalte zu speziell, dass Videospiele darin aber eine größere Rolle spielen werden, ist unbestritten.

Bild(er) © Riotgames (Creative Commons), Latenightgames (Creative Commons)
Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...