Die österreichische Filmemacherin Katharina Rabl hat gemeinsam mit ihrer deutschen Studienkollegin Rebecca Zehr das Tote Meer aufgesucht und traf auf eine selbsterfüllende Prophezeiung: Das Tote Meer liegt im Sterben. Katharina spricht im Interview über den Dreh zu ihrem Dokumentarfilm »Dead Sea Dying« und dem Versuch, »Wimmelbilder« über einen Ort einzufangen, wo Senklöcher ganze Strände schlucken und Tourist*innen unbekümmert in Verdunstungsbecken floaten.
»Dead Sea Dying« ist die nächste Veröffentlichung in der Cinema Next Series, die regelmäßig auf der Streamingplattform Kino VOD Club kostenlos spannende Filme von heimischen Filmtalenten präsentiert.
Cinema Next: Mit welchem Interesse seid ihr, als Studentinnen der Filmhochschule München, ans Tote Meer gefahren? Was war Ausgangspunkt und Motivation für euren Film?
Katharina Rabl: Ich war bereits 2016 am Toten Meer und wollte mit Freund*innen ein Strandbad besuchen, das nach Ankunft vor Ort nicht mehr so aussah wie im Reiseführer abgebildet. Riesige Senklöcher hatten sich aufgetan, die dazu geführt haben, dass Mineral Beach geschlossen und abgeriegelt werden musste. Eineinhalb Jahre später waren Rebecca und ich auf der Suche nach einem Stoff für unseren gemeinsamen Film und sind durch diverse Artikel wieder auf das Tote Meer gestoßen: Einerseits haben Mikrobiologen »Leben« in Form von kleinen Mikrobakterien im Toten Meer gefunden, andererseits sollte dort eine touristische Pilgerstätte mit dem Look einer Marslandschaft ausgebaut werden.
Und dann fand man zugleich viele Berichte, welche das unaufhaltsame Verschwinden des Meeres anprangerten. Wir haben uns gefragt, wie die unterschiedlichen Akteur*innen vor Ort wohl mit der Vergänglichkeit ihres Lebensraums umgehen und auf welche Weise sie wiederum versuchen, diesen am Leben zu erhalten. Wir haben dann Kontakt zu einer Umweltaktivistin vor Ort aufgenommen, mit deren Hilfe wir immer tiefer in die Recherche einsteigen konnten.
Der Meeresspiegel des Toten Meeres sinkt im Jahr um einen Meter. Senklöcher zerstören Plantagen, Straßen und Strände. Dennoch werden großindustriell Mineralien abgebaut und neue Hotelkomplexe geplant. Was offenbar niemand sehen will: Das kann nicht auf ewig gut gehen … Wart ihr euch dieses Ausmaßes an Zerstörung bewusst, als ihr mit dem Filmen begonnen habt?
Das Ausmaß war uns spätestens nach unserer ersten gemeinsamen Recherche vor Ort bewusst. Gekämpft haben wir eher mit der Komplexität dessen, was sich am Toten Meer abspielt. Es gibt sozusagen das »echte« Tote Meer im Norden und künstliche Verdunstungsbecken im Süden. Die großen Hotelkomplexe sind im Süden verortet und die meisten Tourist*innen floaten dort tagsüber im Wasser auf der Suche nach Entspannung oder Heilung. Meistens wissen sie gar nicht, dass sie in künstlichen Verdunstungsanlagen treiben, aus denen eine Firma noch etwas weiter im Süden Mineralien gewinnt, während im Norden des Meeres weiterhin unfassbar große Senklöcher entstehen und ganze Dattelplantagen und Strände vom Erdboden verschluckt werden.
Es gibt also eine unglaubliche Dichte an verschiedenen Orten und Akteur*innen, die wohl erst einmal keine gemeinsam gedachte Lösung für das Problem finden. Das Tote Meer schien sich also in eine selbsterfüllende Prophezeiung zu verwandeln, wohl auch aus der Ironie heraus, dass die Menschen so sehr mit sich selbst und dem Kochen ihres eigenen Süppchens beschäftigt sind, dass ein Blick losgelöst von ihrem Menschsein in Anbetracht einer Katastrophe nur sehr schwierig oder gar nicht möglich ist.
Ein Ort also, an dem viele Widersprüche, Interessen und wohl auch Konflikte zusammenkommen. Wie seid ihr den Drehprozess angegangen? Hattet ihr einen klaren Plan oder habt ihr euch von den Situationen und Begebenheiten vor Ort leiten lassen?
Wir hatten vor dem Dreh bereits eine Recherche vor Ort gemacht und anschließend ein Konzept geschrieben. Zu Drehbeginn haben sich dann natürlich noch mal sehr viele Begebenheiten verändert und wir sind auf viele neue Eindrücke gestoßen. Wir haben uns trotzdem einen klaren Drehplan für die Zeit gesteckt und Orte anvisiert, die uns wichtig erschienen. Abends haben wir dann oft das Material gesichtet, um darauf basierend zu entscheiden, wo wir am nächsten Tag wieder drehen müssen. Dadurch haben wir aber natürlich auch sehr viel Material produziert. Die Widersprüche und Konflikte etwas klarer herauszuarbeiten war ein größeres Unterfangen, das vor allem im Schnitt in Zusammenarbeit mit unserer Editorin Melanie Jilg passiert ist.
Ihr erzählt den Film in sehr klar gesetzten, tollen Cinemascope-Bildern, auch das Sounddesign ist sehr detailreich. Was war euch hinsichtlich Bild- und Tonarbeit wichtig?
Uns war wichtig, nicht die Menschen vor Ort, sondern das Meer in das Zentrum des Films zu rücken und es gewissermaßen als Protagonisten zu verstehen. Die gesamte Kinoleinwandbreite zu nutzen schien uns da als gute Möglichkeit. Außerdem wollten wir möglichst viele »Wimmelbilder« finden: die Menschen und ihr Treiben sollten dadurch wie kleine Parasiten an diesem Ort wirken.
Durch das Sounddesign wurde dann noch mal ein anderer, teilweise auch abstrakter oder distanzierter Blick auf viele Bilder möglich. Natürlich kann einerseits so die Bedrohlichkeit einer Situation, aber auch die Absurdität mancher Handlungen noch einmal verstärkt werden, sodass man eventuell auch einmal einen gedanklichen Schritt zurückmacht und sich fragt: Was tun diese badenden Menschen voller Totes-Meer-Schlamm da eigentlich? Ist das denn in Anbetracht der Situation nicht auch vollkommen absurd?
Du hast gemeinsam mit deiner Ko-Regisseurin Rebecca Zehr 2018 die in München ansässige Produktionsfirma Taro Films gegründet, mit der ihr »Dead Sea Dying« produziert habt. Habt ihr mit der Firma einen speziellen Fokus? Welche Projekte sind geplant?
Taro Films war vor allem für die Zeit nach »Dead Sea Dying«, die ersten gemeinsamen Festivalbesuche und den gegenseitigen Support nach dem ersten Kurzfilm mit etwas mehr Budget wichtig. Jetzt sind zwei weitere Filme im Rahmen der HFF entstanden, bei denen wir jeweils Regie geführt und sie selbst auch unter Taro Films produziert haben. Für die Zukunft gibt es erst mal noch keine konkreten Pläne – der Abschlussfilm steht uns beiden noch bevor und davon wird es abhängig sein, ob wir weiterhin auch produzieren wollen oder uns dann auch mal »nur« auf die Regiearbeit konzentrieren.
Eine Interview-Reihe in Kooperation mit Cinema Next – Junges Kino aus Österreich.