»Je cooler man heute ist, desto uncooler findet man FM4«

Bist du immer noch at home, baby? FM4 wird 20. Thomas Weber macht sich deshalb über das Image und die Zukunft des Radiosenders Gedanken.

THESE 5

FM4 ist zu alt und behäbig.

Natürlich ist auffällig, dass sich bei FM4 in den Führungspositionen seit Jahren wenig bewegt hat. Monika Eigensperger leitet den Sender seit 1996. Einzig Marketingchef Oliver Lingens ist derzeit karenziert und hat sich für die Zeit der Vorbereitung auf den Eurovision Song Contest ORF-intern ins Marketingteam des Spektakels versetzen lassen. Sonst hat sich von den grauen Eminenzen (Martin Blumenau, Claudia Czech, Martin Pieper) keine verabschiedet.

Und das Sendeschema ist seit Jahren weitgehend unverändert. Wobei jüngst das „Jugendzimmer“ – eine Call-in-Sendung aus den Jugendzimmern des Landes – an einem anderen Wochentag in das neue Format „auf Laut!“ überführt wurde. Ein klares Bekenntnis zum in die Tiefe blickenden Lebenswelt-Journalismus: Anders als früher geben nun nicht mehr einzelne Jugendliche Themen vor, über die on air gesprochen wird, sondern da berichtet etwa Redakteur Claus Pirschner live aus Thessaloniki über Arbeitslosigkeit und die von der Krise geschüttelte griechische Gesellschaft; da wird über Polyamorie und den Abschied vom Ideal der romantischen Zweierbeziehung gesprochen. Während am Freitagabend Hannes Duscher und Roland Gratzer in „Top FM4“ unter Einbeziehung der Hörerschaft ihren mal treffsicheren, mal grenzwertigen Humor zelebrieren.

Dass sich darüber hinaus bei FM4 in all den Jahren nichts getan hat, ist aber eine Behauptung, die nur von Zeitgenossen kommen kann, die sich nicht auskennen und weder den Sender hören noch seine Website besuchen. Denn de facto sind alle Programmschienen groß genug, dass darin immer wieder neue Sendeformate erprobt, getestet und Experimenten Raum geboten werden kann.

Für den „Sumpf“, traditionell das Hoheitsgebiet „der beiden alten Deppen“ (Selbstbeschreibung) Thomas Edlinger und Fritz Ostermayer, seit geraumer Zeit aber ergänzt um die Clubkultur-Expertise der deutlich jüngeren Katharina Seidler, gilt das ebenso wie für die „Homebase“ oder die Nachmittagsprogramme „Unlimited“ und „Connected“. Herumprobiert wird laufend, doch nicht jede Serie muss gleich in einer neuen Sendung münden“, erklärt Monika Eigensperger. Wenn sich etwas bewährt, dann ist allerdings nichts unmöglich. Bestes Beispiel: die Omnipräsenz des Herren-Duos Duscher/ Gratzer.

Auch „verschlafen“ – so ein oft gehörter Vorwurf – hat FM4 nichts. Im Gegenteil: In vielen Fällen war FM4 einer der ersten Radiosender, der einen Trend gespürt, aufgegriffen und für Österreich auf den Boden der Tatsachen gebracht hat. Das gilt für das Lifestyle-Marketing ebenso, das die beiden einstigen Marketingchefs Stefan Prilhofer und Gregor Almassy perfektioniert haben, wie für die Website fm4.orf.at.

Schon lange vor Facebook und Microblogging setzte die Webentsprechung von FM4 auf das Host-Prinzip – mehr oder weniger prominente Szenemenschen offenbarten meinungsstark ihre Sicht der Dinge. Dass sich daraus nicht mehr entwickeln konnte, liegt schlicht an den strengen Vorgaben des ORF-Gesetzes.

Was allerdings stimmt: Durch den Sparkurs des ORF musste auch FM4 für zwei Jahre auf Mitarbeiter-Neuzugänge über das ORF Assessment Center verzichten. Wobei es für einen Jugendkultursender dramatischer ist, wenn keine jungen Kräfte nachkommen, als für den Rest des Unternehmens. Da gäbe es allerdings Problembewusstsein. Die Sendechefin legt sich fest: „2015 muss es das wieder geben“.

Was sich zum 20. Geburtstag von FM4 einmal mehr wunderschön zeigt, ist die Unzulänglichkeit des Begriffs „Jugendkultur“. Denn auch im zwanzigsten Jahr steht das FM4-Universum eher für eine Lebenshaltung denn für eine Lebensphase. Letztere mögen wechseln, Erstere bleiben – erst einmal verinnerlicht – ein Leben lang bestehen. Wahrscheinlich bräuchte der ORF neben Ö1 und FM4 wirklich das flankierende „Kinderradio“, von dem Radiodirektor Karl Amon immer wieder fantasiert. Dafür gehört über Ö3 diskutiert …

THESE 6

„Die Zukunft ist ungewisser denn je“

Ja, eh.

Das FM4 Fest zum runden 20er findet am 24. Jänner in der Ottakringer Brauerei statt. Spielen werden Die Sterne, Kele, Sizarr, Fra Diavolo (=Teute und Totze von den Beatsteaks), H.V.O.B., Catastrophe & Cure, Skero. Am Chimperator Floor Teesy und Lot.


Bild(er) © Personen im Foto, letzte Reihe: Harald Waiglein (Homebase, Direktorium des Europäischen Schutzmechanismus ESM), Martin Stiksel (Mitbegründer Last.fm) Mitte, von links nach rechts: Clemens Haipel, Claudia Schäfer (Zara, Zivilcourage und Antirassismus), Stefan Pollach (Agentur Media Conult), Martin Blumenau (Chefcontroller), Monika Eigensperger (Leiterin FM4), Markus “Makossa” Wagner-Lapierre (Musikchef FM4), Matthias “Functionist” Schönauer (Leiter FM4 Produktion), Andreas Ederer (Musikredaktion), Pamela Russmann (Fotografin)

Vorne, von links nach rechts: Robert Rotifer (FM4 Heartbeat, Popfest-Kurator), Gerald Votava (Projekt X), Eva Umbauer (FM4 Heartbeat), Dirk Stermann, Christoph Grissemann, Marian Schönwiese, Christian Lehner (FM4 New York, jetzt FM4 Berlin), War nur kurz dabei und weiss nicht mal FM4 selbst, Hannes Eder (General Manager Universal Music Austria, zeitweilig Starmania Scharfrichter), Florian Horwath (Musiker) Eine grössere Version des Fotos gibt es hier.
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