Jeans nach Mass

Die Gebrüder Stitch machen Jeans. Massgeschneidert, nachhaltig, vom Stoff bis zur letzten Naht in ihrem Beta Store in Wien. In dieser Form ist das in Europa einzigartig. Zeit, um die Brüder per Mail zu interviewen.

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Nach eurer Eröffnung des Betastore – Wie wurde eurer Projekt der maßgeschneiderten Jeans aufgenommen? Erste Resonanzen?

Vorher haben uns 100 Leute gesagt: "Jungs, lasst’s das bleiben, das is Blödsinn; braucht niemand, geht nicht…" Freunde, Designer, Industrie-Leute – Im Grunde genommen fast jeder den wir gefragt haben. In den letzten Wochen hat sich die Situation etwas verändert und der eine oder andere sagt: "Jungs, geile Sache die ihr da am Laufen habt."

Unser Ziel war es in den drei Monaten 100 Hosen zu verticken und bei uns im Laden zu produzieren. Wir sind schwer auf Kurs, gehen jetzt ins zweite Monat und haben an die 40 Hoserln verkauft! Da freuen wir uns. Manche Leute kommen in den Betastore und wissen alles. Unglaublich, dass sich jemand eine Stunde mit unserem Blog beschäftigt und dann alles über Preise, Produktlinien und alle Backgrounds weiß. Am Monatg war jemand im Laden und hat vier mal Sonntagszwirn geordert – für uns fast schon ein Großkunde.

Wie kam die Idee aus der Marketingbranche in Schneiderlehre zu gehen, mit dem Ziel später maßgeschneiderte Jeans herzustellen? Was war Initialzündung? Inwiefern ist euch eurer vorheriger Job zur Umsetzung eurer Idee von Vorteil?

Wir hatten keinen Bock mehr auf die alten Firmen und das ganze Marketing-Bla-Bla. Du arbeitest in einer Agentur, reißt dir für deine Kunden den Arsch auf – an die richtig geilen Konzepte trauen sich die Kunden oft gar nicht ran. Manchmal machst du Scheiße und der Kunde schreit Hurra, dann machst du was richtig lässiges und niemand dankt es dir. Du bist bei der Arbeit für Firmenkunden oft Spielball von irgendwelchen Seilschaften und musst dich zwischen Profilirungsneurotikern und Arschkriechern irgendwie beim Kunden etablieren.

Wenn dir ein Kunde sagt, dass er in der Hose einen richtig scharfen Hintern hat, dann is das mehr Wert und ehrlicher als irgendein Gesülze über eine gute Kampagnen Evaluierung. Mike hatte Bock mit den Händen zu arbeiten, ich hab das noch nie gemacht und es war und ist eine neue Erfahrung.

Ja, es ist kein Nachteil, wir wissen wie wir uns ganz gut Gehör verschaffen können und Menschen auf unser Projekt aufmerksam machen können. Nein, Marketing ist nicht alles, bei einem Konzept wie unserem zählt am Ende nur eines: Die Hose muss lässig sein, alles andere ist schön, aber nicht entscheidend.

Was verbindet ihr persönlich mit dem so omnipräsenten Produkt Jeans, welche Bedeutung hat sie für euch?

Jeans sind eine Ikone! Keine frage, Jeans sind purer Lifestyle, können reiner Lifestyle und ein echtes Statement sein. Wir finden es hat Eier Jeans zu machen! Das kommt lange vor dem Imobilienhai und ist nur mehr zu toppen, wenn jemand plötzlich aus dem nichts eine Airline aufsperrt. Aber, ganz ehrlich, keine Mensch wartet auf das 48. Millionste Jeans-Label. Wir waren auf den ganzen Branchenmessen, von Street-wear bis zur Weber-Messe, der Preisdruck ist Mega, die Produktionsstraßen sind optimiert und an Effizienz nicht zu überbieten.

Wie kann aus dem Thema noch Neues herausholen, wo sich selbst die Großen mit immer neuen Aktionen und Kampagnen überschlagen und der Markt gesättigt scheint?

Es geht nicht um neue Aktionen oder Kampagnen, es geht darum was Neues zu machen. Anscheinend tun wir das. Wir waren in den letzten Monaten auf allen Messen, haben mit Leuten aus dem Jeans-verrückten Japan gesprochen, mit Produzenten und Labels aus den Staaten – wir konnten es selbst nicht glauben – aber es ist das erstemal, dass Jeans vom Zuschnitt bis zum Stonewash in einer Werkstatt hergestellt werden. Wir fertigen an einer "Location" Einzelstücke, und das sozial und ökologisch nachhaltig, lokal.

Was ist das Schwierigste daran, die passende Jeans zu nähen?

Der Einsprung; jede Baumwollstoff geht beim ersten Kontakt mit Wasser ein und das bei jedem Stoffballen unterschiedlich stark. Der Anspruch an unsere Hosen ist – nona – höher als der an ein übliches Marken-Höschen, das muss richtig gut sitzen wenn der Kunde es abholt und nach dem Waschen zu Hause darf sich auch so gut wie nichts mehr rühren.

Muss man im Umgang mit Bio-Baumwolle anders arbeiten?

Nein, beim Nähen nicht, wobei wir aber auch noch nie mit anderer gearbeitet haben 😉 Beim Washing/ Finishing sind wir maximal transparent bei den Dingen, die wir tun oder den Waschmitteln die wir verwenden. Gegen manche Technologien, die bei konventioneller Produktion verwendet werden, wie zb "Kunstharzausstattungen" oder "Coatings", haben wir uns aus Gründen der ökologischen Nachhaltigkeit bewußt dagegen entschieden.

Geht es bei „Gebrüder Stitch" um Selbstverwirklichung, oder inwiefern auch einfach um solide Dienstleistung, indem ihr Hosen auf Kundenwunsch schneidert?

Ja, definitv Selbstverwirklichung! Das war und ist unser Grundmotiv – wir sind mit Gedanken reingegangen, dass wir was machen wollen was uns taugt, wozu wir 100%ig stehen; wenn’s pfeift, gut. Und wenn nicht, hatten wir eine lässige Zeit und haben für uns richtig fette Hosen, die endlich sitzen…

Wie viel eigene Kreativität fließt noch mit in die nach Kundenwunsch geschneiderte Hose? Welche Unikate sind für euch undenkbar umzusetzen? Habt ihr Limits?

Limits gibt’s bestimmt, bis jetzt haben wir sie noch nicht erreicht. Wir sind keine Designer, mehr Jeans-Handwerker oder Denim-Nahversorger und fühlen uns mehr näher beim Berufsverständniss des klassischen Schneiders als beim Designer. Wenn eine Kunde in den Laden kommt, hast du aber sofort ein Gefühl dafür, was gut passen könnte und womit der Kunde am besten rüberkommt. Wenn ein Kunde bereit für etwas Abgefahrenes ist, dann kriegt er es und wenn jemand einen straighten Bootcut mit schlichtem Rinsewash will, dann machen wir das so. Problematisch wird’s wenn jemand auf irgendwas besteht was gar nicht für ihn passt, dann müssten wir streiken.

Welche anderen Jeans-Indies könnt ihr empfehlen? Gibt es im Rest Österreichs ähnliche Projekte?

Im Rest Österreichs?! So weit wir wissen gibt es am ganzen Kontinent nichts Vergleichbares. Klar, es gibt Schneider und Designer die kleinauflagig mit Denim-Stoffen arbeiten; aber niemand arbeitet auf Mass und über die Washings traut sich niemand drüber – mittlerweile kann ich das auch gut verstehen.

Edwin macht gute Hosen! 14 oz to Fredoom aus Deutschland ist ein ehrliches Label, das sind coole Jungs, die uns alles über Schleifen, Schmiergeln und Co beigebracht haben! Bei den Japanern gibt es echt geile Stoffe. Nudie hat richtig geile Verarbeitungsqualität. Bei den großen Namen und Designer-brands bist du nur völlig richtig aufgehoben, wenn du Bock drauf hast möglichst wenig an diejenigen zu zahlen, die deine Hose nähen und richtig fett in die Miete, in Premiumlage und das Marketing einzuzahlen.

Wie vermeidet man im ständigen Kundenkontakt zuviel Zeit liegen zu lassen? Wie geht man mit prinzipiell unvorhersehbarem Aufwand effizient um?

Effizient? Zu viel Zeit? Diese Fragen stell bitte beim H & M oder im Diesel Store. Wir freuen uns jedes mal wenn sich wer zu uns in die Gumpe verirrt. Wenn es uns darum gehen würde möglichst viel Kohle zu machen würden wir jetzt Versicherungen an unsere Omas verkaufen oder wären einfach im Marketing geblieben…

Die Gebrüder Stitch werden im Rahmen des "10festival for fashion and photography" am 11.6. eine Vernissage der "3×3 Fotoausstellung" mit Garmusch, Glassner und Stöbich in ihrem Betastore veranstalten; danach den elektrischen Salon Denim Dich!

www.gebruederstitch.at

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