Fünf Fragen an Haiko Pfost

Das Freischwimmer-Festival lässt Performances durch fünf Theater im deutschen Sprachraum touren. Anfang April gastiert das Festival in der Wiener Brut. Wir haben dessen künstlerischem Leiter, Haiko Pfost, fünf Fragen gestellt.

Am Freischwimmer 2011 beschäftigen sich junge Nachwuchskünstler in insgesamt sieben internationalen Produktionen mit dem Thema "Rückzug ins Öffentliche". Ein äußerst zeitgemäßes Thema, wenn man bedenkt, dass heutzutage jeder seine persönlichen Befindlichkeiten in die Welt raus twittert, facebooked oder blogt. Aber auch über das Social Media Phänomen hinaus, wird das Thema aufgegriffen und in aktuelle Kontexte verwoben. Der Festival ist ein Kooperationsprojekt von fünf Theaterhäusern aus dem deutschsprachigen Raum: Sophiensäle Berlin, FFT Düsseldorf, Kampnagel Hamburg, Brut Wien & Theaterhaus Gessnerallee Zürich. Mehr dazu und zu den Hintergründen des Festivals erzählt uns Haiko Pfost, der künstlerische Leiter des Brut Wiens.

Das Thema des heurigen Festivals ist "Rückzug ins Öffentliche" – ihr meint damit mehr als Social Media und die Privatsphären-Hysterie, oder?

Haiko Pfost: Das vorgegebene Thema bei Freischwimmer ist immer offen zu verstehen und persifliert dieses Mal den aus der Politik stammenden Slogan "Rückzug ins Private". Das hat sicher mit einem Verlust eines klaren Begriffes von privat und öffentlich zu tun und auch die Frage nach Social Media sollte darin anklingen. Gleichzeitig gibt es ja über das Internet auch neue Öffentlichkeiten, die sehr konkret wirken und Einfluss auf die Realpolitik haben. Kein Wunder, dass sich ein Freischwimmer-Beitrag, ein Trash-Puppenspiel-Musical, mit dem libyschen Diktator Muammar Al-Gaddafi beschäftigt. Ich bin gespannt, ob Gaddafi bis zum Festival noch an der Macht ist. Die Projekte wurden schon vor einem dreiviertel Jahr ausgesucht, interessant, dass es so aktuelle Beiträge gibt.

Inwieweit habt ihr selbst Einfluss auf das Programm, wie koordinieren sich fünf Häuser inhaltlich?

Pfost: Künstlerinnen und Künstler können sich an einem der fünf Häuser bewerben, eine Auswahl wird dann aber gemeinsam mit allen beteiligten Produzenten getroffen. Es ist dann so, dass jeder Partner mindestens eine der Produktionen beisteuert und diese Produktion auch inhaltlich und organisatorisch mitbetreut. Diese und letzte Ausgabe waren gleich zwei Projekte aus Österreich dabei. Alle Produktionen haben dann in Berlin Premiere und touren als gemeinsames Festival im Anschluss durch die fünf Häuser.

Inwieweit müssen die Stücke an die Verhältnisse in den fünf Theatern angepasst werden?

Pfost: Das ist ganz interessant, da die räumlichen Voraussetzungen in allen Häusern komplett anders sind. Das ist auch ein Teil der Erfahrung, die Künstlerinnen und Künstler bei diesem Festival sammeln können. Die Produktionen müssen immer wieder angepasst werden, das ist aber bei fast jedem Touring so. Spannend sind aber auch die sehr unterschiedlichen Reaktionen des Publikums. Was in Hamburg ein Hit ist, kann in Wien ein Flop sein und umgekehrt.

Wie fällt man als junger Performing Artist einem Festival wie Freischwimmer in die Hände?

Pfost: Ganz einfach: Es gibt eine Ausschreibung mit einer thematischen Vorgabe, auf die sich erst einmal jeder bewerben kann. Eine gewisse Erfahrung ist nicht schlecht, da man doch dem Druck eines ersten internationalen Tourings standhalten muss – aber keine Voraussetzung. Es gibt tatsächlich immer wieder Neuentdeckungen bei Freischwimmer.

Geht es euch bei Freischwimmer und in der Brut um die Auflösung der Performance im Alltag oder gibt es die Vierte Wand noch?

Pfost: Das vermischt sich immer mehr. Interessanterweise sind die österreichischen Beiträge überhaupt keine klassischen Bühnenperformances. Barbara Ungepflegt wird in einem auf dem Brut-Vorplatz aufgestellten „Notstand“, eigentlich eine Art Hochsitz, ein täglich wechselndes Unterhaltungsprogramm für Notgeile und Notleidende anbieten und auch die Gruppe Mariamagdalena & Gäste wird die Vierte Wand völlig einreißen und mit dem Publikum eine polnische Hochzeit feiern.

Freischwimmer 2011

8. – 16. April, Brut Wien

Barbara Ungepflegt (Wien) – Notstand

Chuck Morris (Zürich) – Souvereines

Institut für Hybridforschung (Hamburg) – Furry Species

Laura Kalauz & Martin Schick (Zürich)- Cmmn Sns Prjct

Lovefuckers (Berlin) – King Of The Kings

Mariamagdalena und Gäste (Wien/ Poznan) – Bis dass der Tod uns scheidet

Verena Billinger & Sebastian Schulz (Düsseldorf/ Gießen/ Frankfurt) – Romantic Afternoon *

www.freischwimmer-festival.com

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