Die Welt des Wiener Theaters ist ein Paralleluniversum, in dessen Zentrum das Burgtheater steht. Hier wird in Codes gesprochen und gehandelt, die seit den Zeiten von Joseph II. von Generation zu Generation weitergeben werden. Eine Einführung in die wichtigsten Schlagwörter der hiesigen Theaterlandschaft.
Heldenplatz, der 1988 wurde anlässlich des 50-jährigen Jahrestages des Anschlusses, sowie des 100-jährigen Bestehens des Burgtheaters vom damaligen Burgtheater-Direktor Claus Peymann ein Stück bei Thomas Bernhard in Auftrag gegeben. Im Vorfeld der Uraufführung von »Heldenplatz« kam es im Herbst 1988 zu einem der größten Theaterskandale der österreichischen Theatergeschichte. In dem Stück erzählt der Bruder des verstorbenen Universitätsprofessors Josef Schuster, der kurz zuvor durch ein Sprung aus den Balkon auf den darunterliegenden Heldenplatz Selbstmord begangen hat, von den Verwicklungen der Wiener Gesellschaft in der Zeit des Nationalsozialismus; in Berhard’scher Manier naturgemäß ohne ein Blatt vor den Mund und beiläufig der damals noch gern erzählten Mär von der »Besetzung Österreichs durch die Deutschen« die letzte Luft zu nehmen. Zu viel für die damalige Öffentlichkeit, die gerade erst dabei war, die Causa Waldheim zu verarbeiten. Trotz wochenlangen medialen und politischen Protesten unter reger Beteiligung der Kronen Zeitung sowie Beiträgen von Granden wie Jörg Haider und Bruno Kreisky (»Das darf man sich nicht gefallen lassen!«) wurde die Premiere am 4. November 1988 ein voller Erfolg – wenn auch begleitet von unzähligen Buhrufen, unter anderem aus der Kehle von einem gewissen Ex-Vizekanzler. In den nachfolgenden Jahren wurde »Heldenplatz« zu einem der meistgespielten Stücke am Burgtheater und ein Symbol für Österreichs konfliktbehafteten Umgang mit seiner Vergangenheit.