Kopf des Tages

Ewald Tatar macht seit Jahrzehnten die heimische Musikszene zu einem besseren Ort. Nach zahlreichen Umbrüchen im letzten Jahr war es höchste Zeit für ein direktes Gespräch.

Das Kapitel Wiesen hast du abgeschlossen. Mich würde noch interessieren, was mit der schwammigen Begründung »wirtschaftliche Gründe«, mit der euer Vertrag von Wiesen-Seite gekündigt wurde, gemeint war.

Genaues weiß ich nicht. Da geht es um Wiesen und mich. Arcadia hat nur getan, was jeder getan hätte, natürlich, da kann man niemandem etwas vorwerfen. Das Absurde ist, dass es jetzt passiert ist. Weil letztes Jahr ein weit besseres Jahr war als die davor – mit 60.000 Besuchern doppelt so viel, doppelte Getränkeumsätze, vier Veranstaltungstage mehr als ausgemacht, ich hab 300.000 Euro in das Gelände investiert. Wir hatten jeden Cent bezahlt. Es hat nie einen Streit geben. Mir den Grund zu nennen, darum hab ich dreimal vergeblich gebeten. Aber es wird einen Grund geben.

Wandern die Bühnenelemente jetzt auf die Burg Clam?

Nein, das ist abgebaut. Das waren ja viele Stahlplatten, die jetzt bei mir in der Garage liegen. Man kann einige Dinge weiter verwenden, vielleicht die Hände oberhalb der Bühne am Nova Rock zum Beispiel oder das Eingangsportal in Eisenstadt.

Also bleibst du nicht einfach auf 300.000 Euro sitzen?

Das ist nicht komplett in den Sand gesetzt. Aber da steckt viel Arbeitszeit drin. Schon für cirka 150.000 Euro.

Ich würde mir schwer tun, da so ruhig zu bleiben.

Das waren einige Tage, die emotional für mich nicht leicht waren. Ich war ein Wochenende weg und habe nur für mich überlegt, wie ich damit umgehen will. Wiesen wird für mich immer etwas Besonderes sein. Ich bin dort groß geworden und habe die Venue mit Festivals geprägt. Als wir 2007 zurückgegangen sind, haben wir Wiesen gerettet. Aber wenn dich dort niemand will und man nur etwas mit dem Gericht durchsetzen kann, wo einem vielleicht noch Lügen ins Gesicht geworfen werden – wofür? Ich habe echt wichtigere Dinge zu tun.

Was kann man sich denn von der Burg Clam erwarten?

Es ist nicht die typische Festival-Location, allein weil die Campingplätze fehlen, sondern eher etwas für Tagesveranstaltungen. Aber Clam ist mit der Zeit gewachsen und sicher eines der schönsten Festivalgelände in Österreich. Wir geben vielleicht das eine oder andere Format dazu. Aber es funktioniert so wie es ist und wir werden dort nicht viel ändern.

War Spielberg mal in Diskussion? Das wäre nicht weit weg von Linz, Wien und Graz …

Konkret nicht. Man denkt nach, aber wir haben lang laufende Verträge und sind beim Frequency oder dem Nova Rock auch beim Austausch mit den Gemeinden sehr happy.

Bilderbuch und Ja, Panik haben euch jeweils einen unfairen Umgang mit österreichischen Bands vorgeworfen. Mittlerweile spielen sie Headliner-Slots. Wie kam das?

Ich hatte mit Bilderbuch ein gutes Gespräch über ihr Interview. Das ist erledigt. Ich hatte die Band 2010 und 2011 schon auf Festivals gebucht. Die sind musikalisch der Wahnsinn. Das kann ich international herzeigen. Wanda waren einfach plötzlich da. Ich freu mich mega, dass die österreichische Musikszene diesen Weg gehen kann.

Vor zehn Jahren war das schwer. Viele haben damals versucht, etwas Internationales zu kopieren. Heute haben viele ihre eigene Linie gefunden. Deshalb ist das glaube ich so erfolgreich. Und man kann sich getrost hinstellen und sagen: He, ihr seid einfach so gut, um als Headliner oder Co-Headliner zu spielen.

Es gab mit Soap & Skin, Gustav, Ja Panik eigentlich auch früher schon Musik, die zumindest im Feuilleton sehr gut angekommen ist.

Wir haben auch vorher schon reagiert. Soap & Skin hat schon vor zwei Jahren bei mir als Headliner am Harvest Of Art gespielt. Zugkraft hin oder her. Ich veranstalte seit 1993. Auf meinen Festivals haben immer österreichische Bands gespielt, sie haben immer eine Gage bekommen. Der Vorwurf, dass es zu wenige von ihnen gibt, mag ein schöner sein, aber man darf ihn nicht nur im Moment sehen. Ich weiss nicht, ob ich 300, 500 oder 800 österreichische Bands veranstaltet habe. Ich glaube jedenfalls nicht, dass es in diesem Land einen Veranstalter gibt, der mehr österreichische Bands auf Festivals, Konzerten, Support-Slots spielen hat lassen als ich.

Werdet ihr von den Medien fair behandelt?

Ich sag so, ich habe gelernt, Kritik einzustecken und damit umzugehen. Das ist eine Meinung, die muss ich akzeptieren. Ich komme ja aus dem Journalismus, war lange beim ORF und habe für Zeitungen geschrieben. Mit gewissen Dingen muss man leben, ich bin kein Mahatma Gandhi, mein Gott.

Wie erfolgreich waren eure Veränderungen am Nova Rock?

Sehr, sehr. Das war einer der wichtigsten Schritte, den das Festival seit Jahren gemacht hat. Es gab schon lange Forderungen wegen der langen Wege. Das Problem waren die Grundstücke, die landwirtschaftlich gefördert waren und für nichts anderes verwendet werden durften. Der Plan liegt schon lange bei mir, das konnte erst jetzt umgesetzt werden. Die Stimmung war jedenfalls Mörder.

Du hast sicher den Tagespresse-Artikel übers Nova Rock gelesen, oder?

Ja. Der war super. (lacht)

Wie dreckig soll und darf ein Rockfestival sein?

Es darf so dreckig sein wie möglich. Ich habe 30 Jahre Festivals hinter mir. In den Achtzigern ist man nach Wiesen mit einem Doppler und einem Zelt gefahren. Da gab es kein Klo, keine Dusche. Heute ist die Struktur komplett anders. Aber eines ist gleich geblieben. Es gibt das Wetter. Wenn es drei Tage regnet, haben wir drei Tage Gatsch. Ich sage nicht, dass ich das den Leuten vergönne, aber das ist so. Deshalb gehört der Dreck, 40 Grad im Schatten, der Staub genauso dazu. Ich habe jedenfalls bei anderen Festivals keinen neuen Massstäbe gesehen.

Wie schafft man es mit einem Festival, unverwechselbar zu sein?

Wir machen das ja schon laufend. Gelände umgestalten, Deko muss man einfach machen. Die Besucher erwarten sich etwas Neues. Nicht alles kann man sofort machen und manche Bands sind einfach nicht verfügbar. Wir reden aber mit unseren Leuten und arbeiten das ganze Jahr daran. So wie beim Nova Rock letztes Jahr. Ich hatte das noch nie. Jedes Mal, wenn ich rausgegangen bin, sind Leute zu mir gekommen und haben sich bedankt.

Das klingt nach einem Meilenstein und nach einem der besten Nova Rock überhaupt?

Ja, ganz sicher. Sowohl bei als auch auf dem Festival gab es eine wirklich große, breite Zufriedenheit. So etwas haben wir noch nicht gehabt.

Ihr habt die Sicherheitsmassnahmen nach Paris verstärkt …

Genau. Damit die Leute trotzdem schnell am Gelände sind, muss man das Personal verdoppeln. Ansonsten muss man da wirklich sehr, sehr vorsichtig sein. Als Veranstalter kann man das allerdings nicht verhindern. Ein Security ist ein Security. Wenn Leute mit MGs kommen und da stehen 20 zusätzliche Securities, sind 20 Leute mehr tot.

Gibt es einen Termin für die Ersatzshow der Eagles Of Death Metal?

Es ist geplant, dass sie kommen. [Anm. Mittlerweile steht der 22. Februar fest.]

Wärt ihr eigentlich nicht logische Käufer fürs Flex?

Nein, wir sind nicht die Firma, die sich Clubs kauft. Es geht nicht ums Interesse, sondern – wie man so schön sagt – dass das nicht in unserem Portfolio liegt.

Ist der Eindruck richtig, dass Beat The Fish recht gut läuft?

Ja, sehr gut. Alle neuen Formate. Indiekiste funktioniert massiv. Die Leute wissen, wo sie zu ihren Themen kommen. Ich kenne da nichts mehr. Aber die Leute, die das bei uns betreuen, machen das wirklich fantastisch.

Auf der anderen Seite kann man sagen, im elektronischen Bereich gelingt das nicht ganz so gut? Der Abgang von Christian Lakatos, das Feedback auf das Urban Art Forms …?

Wir arbeiten da noch dran, diskutieren untereinander. Line-up haben wir ja noch keines präsentiert. Aber Ideen und Pläne gibt es.

Was sind die besten Momente in deinem Job?

Puh. So blöd das klingt, Montag mittag nach dem Nova Rock und es ist nichts passiert. Ich bin während des Festivals so mit Adrenalin voll, dass ich gar nicht länger als zwei Stunden schlafen kann. Man schaut immer, dass es für die Besucher so angenehm wie möglich ist. Am Montag fällt dann ein großer Stein vom Herzen.

Das Nova Rock findet von 9.– 11. Juni statt. Das Frequency läuft von 18.– 20. August. Weitere Festivals sind Urban Art Forms, Sunsplash, Two Days A Week, Clam Rock, Harvest Of Art, Lovely Days oder Picture On. Zu den Konzertreihen von Barracuda Music gehören auch Indiekiste und Beat The Fish.

Bild(er) © Marija Kanizaj, Jana Sabo, Nova Rock, Rene Huemer
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