Künstler und ihre Musikleidenschaften

Coop Himmelb(l)au hört Dylan, Muntean hört Ockeghem, Daniel Richter hört Joy Division. Und natürlich noch viel mehr. Ein Buch plaudert über den Künstler-Soundtracks.

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Wenn also zehn Künstler über ihre liebste Musik reden, sagt das mindestens so viel über Kunst- und ihre Wahrnehmungsweisen aus, wie über die Musik selbst. Das Buch heißt also "Secret Passion", doch so geheim oder schockierend sind diese Leidenschhaften gar nicht, das Wechselspiel von Kunst, Architektur und Musik ist ein lang bestelltes Feld; für kreative Missverständnisse, ästhetische Analogien und aufregenden Reibekuchen. Sie, die Künstler, führen vielmehr ihre Haus-und-Hof-Expertise, die Kunst, an ihr Hobby, die Musik, heran.

So zieht etwa Wolf D.Prix seine Beschreibung dekonstruktivistischer Architektur aus einem Bob Dylan-Song ("I have to rearrange their faces, And give them all another name"). Auch das Verhältnis von Musikern und Künstlern wird immer wieder zum Thema ("Künstler, die Musik machen. Grauenhaft, nicht?" – "Ist nicht verboten.").

Die Bandbreite der Sich-Verhaltens-Zur-Musik reicht von strengem, ästhetischen Empfinden und avantgardistisch-elitären Dünkeln bis zu sehr subjektiven, nicht weiter hinterfragten, in der Farben der eigenen Biografie gezeichneten Vorlieben. Im Einzelnen erweist sich etwa Markus Muntean als ausgesprochener Kenner der Ars Subtilior, von Ockeghem und Solage, einer hoch artifiziellen, fast konzeptuellen, höfischen und elitären Musik des 14. Jahrhunderts. Greg Lynn nutzt seine Musik eher zum Einpeitschen seiner fast gleichberechtigten Bürosklaven ("Sabotage" von den Beastie Boys, wenn es um 4 Uhr nochmals einen Boost der Workforce braucht). Und Christian Ludwig Attersee präsentiert sich als extrem musischer Künstler, der zwar über 60.000 physische Tonträger besitzt und sich mit einer unglaublichen Breite an Stilen beschäftigt, der allerdings relativ wenig darüber zu sagen hat.

Edek Bartz führt die Interviews mit allen Kreativen, nervt zwar mit seiner ständigen Feststellung wie sehr Country einen schlechten Ruf genießt und verfällt mal eben in ein Lamento über die gute alte Zeit (s.223), erweist sich aber sonst als breitest informierter Interviewpartner mit eigener Meinung und Zugängen. Noch dazu ist er sich erfreulicherweise nicht zu schade naiv-verpönte Fragen zu stellen – wie etwa wo denn die Kunst sei, wenn viele Komponisten elektronischer Musik "einfach alles aufnehmen, was so daherkommt um einen Output zu produzieren."

Die Interviews sind im Plauderton vorgetragen, was sich manchmal als Stärke erweist, meistens hätte den Interviews allerdings deutliche Straffung gut getan. Man hätte wohl auch Youtube-Playlists anfügen können, wenn es schon unleistbar ist Musik unmittelbar beizulegen – also etwa Songs von Bob Dylan und Joy Division zu lizensieren -, so bleibt die wenig aussagekräftige Typo der Originalplatten über und man selbst aufgefordert die Entdeckungsreisen dieser Gespräche selbst nachzuvollziehen.

Secret Passion

Koller/ Bartz /Bast (Hrsg.)

(Springer/ Edition Angewandte)

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