Label Love mit Numavi Records

»Make sound not war, make noise not love.« – Das Credo von Numavi Records klingt nach einer Label-Familie, zu der man gehören will. Die Numavis im Interview über neue Schützlinge, Hypes und die heurige Tweety-Party.

Thomas Baumegger, Heli Moser, Mario Zangl und Susi Schwarz von Numavi Records © ClaraWildberger
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Gefühlt gibt es mehr Leute, die Silvester nicht mögen, als welche, die tatsächlich die Party des Jahres erwarten. Und weil diese genauso gut auch einen Tag früher sein könnte als geplant, gibt es in Graz jedes Jahr am 30. Dezember eine Tweety-Party (Tweety als Silvesters Gegenspieler) mit Konzertwahnsinn zahlreicher Bands. Auch dieses Jahr wird versprochen: »enough of bleak music to slit your wrist by / chew chocolate to«.

Dahinter steckt die Label-Familie von Numavi Records, die sich seit Jahren der österreichischen Noiserock- und Grindcore-Szene angenommen hat. Mit dem Herzen in der Steiermark hat sich Numavi mittlerweile auch international umgesehen. Wir haben mit Mario Zangl und Susi Schwarz über ihre Kunstsozialisation, den Austrohype und ländliche Kreativität geredet.

Euer Genre ist im weitesten Sinne Lo-Fi. Überhaupt entdecken immer mehr Bands Grunge und trashigen Noiserock für sich. Woran liegt es, dass die Liebe zu Postpunk und 80er-Synths in den letzten Jahren wieder zurückgekommen ist?

In der Kunst wiederholen sich immer wieder gewisse Trends. Gesellschaftlich könnte man zur Zeit Parallelen zur Thatcher- und Reagan-Ära ziehen, das sei aber einmal so dahingestellt. Wir fühlen uns musikalisch in den 80er- und 90er-Jahren sehr wohl, da unsere Kunstsozialisation genau dort begann. Auch beinahe alle Bands auf unserem Label ticken da ähnlich. Da freut uns so ein Revival natürlich sehr.

Numavi habt ihr in Weiz gegründet, später seid ihr damit nach Graz umgezogen. Was macht gerade die Musikszene in der Steiermark und speziell in Graz aus?

Die Szene in der Steiermark, besonders in der Numavi-Gründungsstadt Weiz war jeher eine sehr bunte. Die Stadt bot im Unterschied zur umliegenden, ländlichen Metal- und Ska-Szene eine sehr engagierte Punkrock-, Noiserock- und Avantgarde-Szene. Aus dieser Ecke heraus kommend, gründeten wir mit circa 15 Leuten in der frühen Jugend Numavi. Ohne großes Vorwissen wurden selbst Bands gegründet, aufgenommen, Videos gedreht und Konzerte veranstaltet. Uns wurde sehr bald klar, dass wir unsere Musik auch an die Menschen bringen wollen und somit war die Idee, ein Label zu gründen, der nächste logische Schritt. Diese Meute an Musikbegeisterten wuchs schnell weiter und so auch der kreative Output.

Im Jahr 2004 zogen wir beinahe geschlossen nach Graz, wo die Umsetzung um einiges leichter wurde. Wir fanden schnell unseren Lieblingsclub: das Sub, einen kleinen Punkschuppen im Herzen der Grazer Altstadt, wo wir zuerst noch als Gäste Shows besuchten, bald Shows buchten und dann das Sub irgendwann für kurze Zeit sogar übernahmen. So wie in Weiz ist auch in Graz die Liebe zu experimenteller Musik zu spüren: Interstellar Records, Rock is Hell Records, Werk02-Shows und Interpenetration empfehlen wir wärmstens. Von rauem Noise- und Punkrock über collagenhafte Soundexperimente bis hin zu verträumtem Indie-Pop findet man hier alles. Mittlerweile leben wir Numavis zu fast 50 Prozent in Graz und zu 50 Prozent in Wien.

Ihr seid jedes Jahr beim Rostfest in Eisenerz mit einer Bühne vertreten. Unterscheidet sich ein ländliches Publikum vom städtischen? Ist euch eine regionale Präsenz und Verwurzelung mit der Steiermark wichtig?

Wir veranstalten nach wie vor gerne Konzerte in Weiz, bevorzugt beim Luis, unsere Stammkneipe, in der wir uns alle kennengelernt haben und Numavi den Anfang fand. Außerdem sind wir seit einigen Jahren fixer Bestandteil des Rostfests in Eisenerz, das das Thema Abwanderung künstlerisch aufarbeitet. Numavi entstand selbst in der tiefsten Pampa – das Wissen vom ländlichen Nährboden an Kreativität und von den Erscheinungen des Regionalismus schwingen deshalb bei uns mit.

Numavis am Rostfest © Tanja Möstl
Numavis am Rostfest © Tanja Möstl

Bei eurer Gründung stand der DIY-Gedanke im Vordergrund: Releases von internen Bands wie Mile Me Deaf rausbringen und Konzerte veranstalten. Wie schafft ihr es, euch weiter zu vergrößern und dabei eine Band-Familie zu bleiben?

Es gibt erfreulicherweise immer wieder herzliche Menschen, die Interesse an der Numavi-Bande haben, die sich anbieten bei Konzerten mitzuhelfen oder aus einer Begeisterung darüber neue Bands gründen. Numavi ist aus Freundschaften heraus entstanden und seit Anfang an eine große Familie, die nie aufgehört hat zu wachsen. Das Ganze scheint ein wenig ansteckend zu sein: frisch gesignte Bands werden schnell Teil der Familie, indem sie bei uns im Studio stehen oder bei der Labelarbeit im Hintergrund interessiert mithelfen.

Ihr seid stark für Label Love untereinander. Vor allem mit Siluh Records verbindet euch einiges, nicht zuletzt das gemeinsam ausgerichtete Sommerfest heuer. Gibt es trotzdem auch Konkurrenzdenken? Wie geht ihr zum Beispiel mit neuen promising Künstlern um, die noch nichts released haben? Sprecht ihr euch da untereinander ab?

Label Love ist uns tatsächlich sehr wichtig. Wir sind kollektiv der Meinung, dass Konkurrenzdenken in unserem überschaubarem Genre zu nichts, außer Frustration führen kann. Da heißt es, sich ausreden, zusammenhalten und gemeinsam etwas Größeres aus dem Boden stampfen. Mit Siluh verbindet uns seit Jahren eine tiefe Freundschaft: Bernhard Kern signte vor Jahren Killed By 9V Batteries und auch wegen Mile Me Deaf verstricken sich die Wege immer wieder. Aber wir haben auch zu Labels wie Fettkakao, Seayou oder Interstellar eine Freundschaft aufgebaut und aufgrund der musikalischen Nähe sehr früh – in deren und unserer Laufbahn – Konzerte für Vortex Rex oder Regolith organisiert.

Woran macht ihr es fest, ob eine Band zu eurem Label passt? Entscheidet sich so was eher auf Konzerten oder via erste Aufnahmen?

Ganz unterschiedlich. Baguette, Sluff und Maneki Nekoc haben wir zum Beispiel live gesehen und wir waren hin und weg. Bei The Gitarren der Liebe und Tents haben wir zuvor die Aufnahmen gehört und uns sofort schwer verliebt.

Die erste Veröffentlichung auf eurem Label war »My Mother Is Proud Of Me, I Found Out That Indie = Nazi« von Mile Me Deaf. Das war 2006. Was hat sich seitdem bei euch verändert? Profitiert ihr vom Hype österreichischer Musik oder setzt die Aufmerksamkeit eher unter Druck?

Um genau zu sein, gab es noch einige Releases vor dieser Mile-Me-Deaf-CD.  Da waren schon einige Perlen dabei: I Hate The Sun und Zuchthaus, beide im Grindcore angesiedelt, oder The Fucking Intensives From Hell mit Haudrauf-Grunge. Diese Kuriositäten gehören eigentlich längst digital re-released, denn die Originalkopien sind damals auf Floppy Discs, Mini Discs, MCs und CDRs erschienen und längst ausverkauft oder nicht mehr abspielbar.

Wir bemerken durch den neuen Fokus schon, dass es um einiges einfacher wurde, wahrgenommen zu werden. Da wir aber ausschließlich englischsprachig releasen, streift uns der Austrohype nur. Dem großen Hype stehen wir intern mit gemischten Gefühlen gegenüber, ist er doch eine Momentaufnahme. Kontinuierliche Aufmerksamkeit ist da schon zu bevorzugen.

Ihr habt mittlerweile auch Bands von außerhalb Österreichs, aus Deutschland oder Serbien, unter Vertrag. Richtet ihr euch in Zukunft weiter international aus?

Unsere Fühler reichen überall hin! Wir werden auf jeden Fall wieder etwas mit den großartigen VVhile aus Serbien zusammen machen. Ansonsten versuchen wir eher pragmatisch zu sein, doch wir verlieben uns immer wieder in eine neue Band.

Wird es heuer wieder eine Tweety Party geben? Weiß man schon, wer alles auftreten wird? Und sind für 2017 schon Releases geplant?

Es gibt definitiv wieder eine Tweety Party. Das Line-up und die Location stehen fest, allerdings wollen wir uns heuer darüber mysteriös bedeckt halten. Ausnahmsweise gibt es dieses Jahr nur Vorverkaufstickets und keine Abendkassa und wir gehen wieder back to the roots: mehr Wahnsinn – weniger Event. Nächstes Jahr feiern wir 15 Jahre Tweety Party (sofern wir uns nicht verrechnet haben). Der Tausend-Bands-an-einem-Abend-Wahn steuert also auf einen Meilenstein zu. Man darf gespannt sein.

 

Mixing #euroteuro special #tweety set! Trancy

Ein von mile me deaf (@milemedef) gepostetes Video am


2017 sind bisher eine 7-Inch von Just Friends And Lovers, eine Split-12-Inch von Raccoon Rally und Bird Of The Year und das Debütalbum von Melt Downer sowie von Crush geplant. Auch auf Tents und VVhile sind wir sehr gespannt und hoffen auf baldigen, neuen Output dieser großartigen Bands. Und außerdem werden wir wieder bei einigen Festivals co-kuratieren.

Ein paar Infos über die heurige Tweety Party gibt es doch, und zwar hier. Karten dafür gibt es hier zu kaufen. Weiteres zu Numavi Records findet man auf  Bandcamp oder Facebook.

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