„Lasst Blumen sprechen!“

Deborah Sengl setzt Menschen erstmals keine Tierschädel, sondern Blütenpflanzen auf. Die Künstlerin im E-Mail-Interview über die menschlichen Züge von Blumen, besonders kritischen Kindern und Disney’s „Flower Song“ aus „Alice in Wonderland“.

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Bekannt ist sie dafür, in ihren Kunstwerken – Gemälden, übermalten Zeichnungen oder aufwändigen Skulpturen – das Tier im Menschen herauszuarbeiten. Das Tier täuscht Menschlichkeit vor, der Mensch tarnt seine Bestialität, verdeckt seine Unzulänglichkeiten. Auf diese einfache Formel lässt sich ein nicht geringer Teil des bisherigen Werks der Wienerin Deborah Sengl verdichten. Auf Einladung des Kunstverlags Wolfrum hat sie sich für dessen Sammelausstellung „Blumenschein“ nun erstmals den allegorischen Kulturpflanzen gewidmet.

Im Rahmen von „Blumenschein“ sind neben Arbeiten Sengls außerdem Werke von Christy Astuy, Christian Droste, Sissi Farassat, Heinz Frank, Michela Ghisetti, Josef Kern, Elfriede Mejchar, Vesna Muhr, Hari Schütz, Deborah Sengl, Iv Toshain und Sula Zimmerberger zu sehen.

Du hast das Motto der Ausstellung „Blumenschein" leicht variiert und gewissermaßen Blumenschen gemalt. Damit pfropfst du Menschen erstmals keine Tierschädel auf die Schultern, sondern bildest sie mit einem Blütenhaupt ab. Ist das als eine längerfristige Erweiterung deiner Ausdrucksmittel oder eher als Ausnahme zu verstehen?

Diese Arbeiten sind durch die Einladung zur Teilnahme an der Ausstellung "Blumenschein" im Kunstverlag Wolfrum entstanden. Durch meine Recherchen zu diesem Thema ist mir erstmals aufgefallen, wie vielen Blumen und Pflanzen Bedeutungen und Redewendungen zugeordnet werden. Daher auch der Titel zu der Serie: "Lasst Blumen sprechen". Siehe dazu auch: hier und hier.

Deine Mensch-Tier-Gemälde sind auch ein Ergebnis des permanenten Beobachtens des Tieres im Menschen. Einmal abgesehen vom Schmarotzertum oder Standortsymbiosen haben Pflanzen im Unterschied zu Tieren nichts Komplexes entwickelt, was man im übertragenen Sinne „Verhalten" nennen könnte. Sie Pflanzen trotzdem ähnlich ergiebig für Vergleichsstudien?

In den Blumen und Blüten findet man durchaus menschliche Züge bzw. Ausdrucksformen. Das hat mich im Zuge meiner Arbeit und Recherche selbst überrascht. Dass Blumen gerne auch als Stellvertreter für menschliche Wesenszüge verwendet werden, findet man auch in einigen (Zeichentrick-)Filmen. Mein Lieblingsbeispiel dazu ist der "Flower’s Song" aus der Walt Disney Produktion von "Alice in Wonderland".

Blumen sind ein klassisches kunsthistorisches Motiv. War es deshalb reizvoll, sich auch daran einmal abzuarbeiten?

Nein, der rein kunsthistorische Kontext war nicht ausschlaggebend für diese Arbeiten.

Zu einiger Berühmtheit hat es zuletzt dein „Löwenzebra" gebracht. Die pferdgroße Skulptur eines Zebras mit gefletschten Löwenzähnen ist landauf landab für das „Festival der Tiere" in der Sammlung Essl plakatiert. Ließen sich solche lebensgroßen Bastard-Fabelwesen auch mit Pflanzen umsetzen?

Konkret ist noch nichts in diese Richtung geplant. Ich möchte aber nichts ausschließen, da mir ganz prinzipiell eine Weiterentwicklung meiner Themen und auch Techniken besonders wichtig ist.

Das „Festival der Tiere" ist eine Schau, die sich explizit an Kinder richtet. Gezeigt werden Exponate mit Tiermotiven aus dem Bestand der Sammlung Essl. Keine Künstlerin, kein Künstler ist darin ähnlich häufig vertreten wie Deborah Sengl. Gibt es Reaktionen von Kindern auf deine Arbeiten?

Ich habe mit einer Gruppe von Kindern vom Essl Museum im Rahmen dieser Ausstellung an Tiermasken gearbeitet. Auch da habe ich gemerkt, dass Kinder im allgemeinen sehr positiv auf meine Arbeiten reagieren. Da diese noch sehr vorurteilsfrei und unverdorben auf die Welt zugehen, fällt es ihnen manchmal sogar leichter als den Erwachsenen, den Witz und die dahinter versteckte Botschaft bzw. Kritik in meinen Arbeiten zu verstehen.

Du hast auch bereits bewusst für Kinder gearbeitet, etwa für das Zoom-Kindermuseum. Inwiefern macht das einen Unterschied, wenn man weiß, dass sich ein Kunstwerk zuallererst an Kinder richtet?

Für mich bedeutet das prinzipiell gar keinen Unterscheid, da ich in erster Linie immer für mich arbeite. Kinder sind aber durchaus sehr strenge Kritiker und ihren Ansprüchen zu genügen ist eine große Herausforderung. Gelingt dies, ist es ein großes Lob an die eigene Arbeit.

Vor einiger Zeit entstand auch eine Gemäldeserie mit nackten Menschen, die sich gewissermaßen in Marken-Logos kleiden. Deine Blumenschen-Serie nun lautet als wörtlich genommener Floristenlockruf „Lasst Blumen sprechen!". Gewinnen Werbung und die Markenwelt an Bedeutung für dein Schaffen?

Werbung und die Markenwelt haben schon seit vielen Jahren eine große Bedeutung in meinem Werk, so habe ich die ersten "Logofrauen" 2002 gemacht. Hauptsächliches Thema meiner Arbeiten ist das Tarnen und Täuschen. Jeder Mensch trachtet danach zu gefallen und zu seinem Vorteil wahrgenommen zu werden. Mode und die damit verbundenen Labels werden gerne genützt, um sich in der Gesellschaft vorteilhaft zu positionieren.

„Blumenschein“

Galerie im Kunstverlag Wolfrum; Augustinerstraße 10, 1010 Wien

Eröffnung: Donnerstag, 31. März um 19h00

Ausstellungsdauer: 1. April – 23. April 2011

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