Das unbekannte Wesen E-Book bedroht Buch und Buchhandel. Denn möglicherweise verdrängt es – früher, später oder auch gar nicht – das Buch. Eine Rundschau in der Szene.
Niemand in der heimischen Buchbranche hat den Überblick, wo das E-Book im Moment steht und wohin die Reise gehen wird. So stellte Gerald Schantin, Präsident des Hauptverbandes des Österreichischen Buchhandels (HVB), unlängst im Branchenblatt „Anzeiger“ fest, dass der Umsatzrückgang des gedruckten Taschenbuchs 2013 gegenüber 2012 besonders hoch war, weil es vom E-Book bedrängt würde. Das kann er allerdings bloß vermuten: Er weiß nämlich nicht, wie viele E-Books der Buchhandel in Summe verkauft und was er damit verdient. Das wird zwar von den Händlern erfasst, aber nicht zentral zusammengeführt. Und laut HVB ist auch noch nicht absehbar, wann das so weit sein wird.
Der Buchhandel selbst ist froh, dass ihm Unsicherheiten auf Seiten der Konsumenten in die Hände spielen: E-Book-Leser müssen zwischen offenen Systemen (Tolino, Sony,…) und geschlossenen (Amazon Kindle) wählen und sich somit festlegen, ob sie sich an Amazon binden oder in einem Shop nach Wahl downloaden wollen. Oder technisch versiert sein, um Sperren umgehen zu können. Das Epub-Format ist schick, weil sich der Text der Größe des Reader-Displays anpasst. Vieles gibt es im Moment aber nur als Pdf – und das wird meistens starr angezeigt. Und der Reader von heute kann morgen bereits veraltet sein.
2011 und 2012 lieferte der HVB basierend auf Umfragen unter heimischen Verlagen erstmals Zahlen über den E-Book-Markt in Österreich: Demnach vertrieben 2011 32,3% der Befragten E-Books, 2010 bloß 17%. Waren es damals noch 16,7%, die partout nicht ins E-Book investieren wollten, so sank das ein Jahr später auf ein knappes Zehntel aller Händler. Bescheiden stiegen die Anzahl der lieferbaren E-Books und die Umsätze, wobei 42% der Befragten im Jahr 2011 gerade mal maximal ein einziges Prozent ihres Umsatzes mit E-Books machten. Das Branchenblatt „Sortimenter-Brief“ berichtete dagegen zuletzt von stark zunehmenden E-Reader-Verkäufen. Die massiven TV-Werbungen von Amazon für seinen Kindle-Reader im vergangenen Weihnachtsgeschäft lassen ähnliche Schlüsse zu.
Jenseits der Statistik
Der in Wien und Bozen beheimatete Folio Verlag hat seit Herbst 2012 E-Books im Programm. Derzeit gibt es 37 Stück, das sind bloß 8% im Vergleich zu den lieferbaren Print-Titel. Viel ist das nicht. Das liegt aber nicht am Geld, denn das Druck-Pdf in ein Epub zu konvertieren ist nicht so teuer. Sondern daran, lieber vorwiegend Neuigkeiten als E-Book zu bringen und das Archiv nur dann umzuarbeiten, wenn sich das gedruckte Buch noch akzeptabel verkauft. Mit den Umsätzen, die trotz Steigerungen gerade mal 2% der Print-Umsätze ausmachen, ist Verleger Dr. Ludwig Paulmichl dennoch zufrieden. Seiner Meinung nach ist das E-Book bereits eine ernstzunehmende Variante des Taschenbuchs.
Ähnlich ist die Situation beim Verlag Milena, der 2013 auf die E-Book-Schiene aufsprang und derzeit mit circa 20 E-Books 10% des Gesamtprogramms digital lieferbar hat. „Die Umsätze sind soso lala“, die Tendenz aber steigend, so Verlegerin Vanessa Wieser. Digitaler Renner ist Otto Basils „Wenn das der Führer wüsste“, der in guten Monaten 20 bis 30 mal gekauft wird. Derzeit seien E-Books „keine ernstzunehmenden Player, aber in 15 Jahren wird das anders ausschauen. Bücher werden auf Kids antiquiert wirken“. Lesen könnte künftig analog der „Slow Food"-Bewegung der Entschleunigung dienen.