Puber ist frei. Aber Puber ist auch entfesselt – als subversive Abstraktion. Und MTS hat auch etwas damit zu tun.


Alle Fotos wurden im Februar 2016 geschossen und dokumentieren, welche Tags von Puber bzw MTS sichtbar sind

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PUBER. Die Tage, in denen diese fünf Buchstaben allgegenwärtig waren, sind vorbei. Nachdem ein Schweizer namens Renato S. im Frühjahr 2014 festgenommen und im Sommer darauf verurteilt worden war, schien der Fall Puber geklärt. Inzwischen dreht sich niemand mehr nach seinen Werken um. Das urbane Gedächtnis ist nicht tiefer als die Farbschicht der Tags. Was die Renovierungsfirmen nicht entfernt haben, wird vom archäologischen Sediment der Stadt bedeckt. Den Rest besorgt die Kürze der kollektiven Aufmerksamkeitsspanne.
Puber > Renato
Das Phänomen Puber einfach so mit den Rändern der Stadtgeschichte ausfransen zu lassen, wäre aber allzu einfach. Einen Schlüssel zu einem tiefgreifenderen Verständnis Pubers bietet das Gerichtsverfahren um Renato S.: Dieser leugnete zwar bis vor Verhandlungsbeginn jegliche Täterschaft, gestand dann plötzlich doch eine Teilschuld ein. Er habe den Tag etwa 20- bis 30-mal verwendet – eine im Vergleich zu den vorhandenen Schriftzügen lächerliche Zahl. Das brachte das Argumentationsgebäude der Staatsanwaltschaft, die sich bis dahin im stolzen Besitz des großen Einzeltäters wähnte, prompt zum Einstürzen.
Überschneidung zwischen Kunst und Künstler gesucht
Es stellte sich schnell als durchaus schwierig heraus, das pubersche Wirken einwandfrei mit der Person des Renato S. zu verbinden. So scheint es wohl gewisse Überschneidungen zwischen den beiden zu geben, doch zeigt sich hier mit besonderer Deutlichkeit die allgemeine Regel, dass es im Vergleich eines – wenn auch nur widerwillig staatsbürgerlichen – Subjekts und eines hinter seinen konkreten Ausformungen immer abstrakten Werkes nie zu einer völligen Übereinstimmung kommen kann.
Fassadenbesitzer sind Kunstbesitzer
Dass statt des graphologischen Gutachtens keine typologisch-kunsthistorische Untersuchung angestrengt wurde, ist wohl der Inspirationslosigkeit der Staatsanwaltschaft geschuldet. Deren Bemühungen scheiterten letztlich auch größtenteils: Renato S. konnte nur eine vergleichsweise geringe Anzahl an Delikten nachgewiesen werden können. Die vier Monate unbedingter Haft, zu denen er verurteilt wurde, hatte er bereits in Untersuchungshaft abgesessen. Die Frage, wer denn nun die restlichen Graffiti angebracht hat, ist somit unbeantwortet und auch die von den erzürnten Fassadenbesitzern erhoffte Genugtuung blieb aus.
PUBeR gegen PUBER
Eine besondere Spitzfindigkeit erhielt die Causa durch Renato S.’ Behauptung. seine Tags stets mit der Minuskel »e« ausgeführt zu haben, für diejenigen mit der Majuskel »E« also nicht verantwortlich zu sein. Während aber zum Beispiel die Pubers auf dem ehemaligen The Gap-Büro genauso wie die auf den Schildern, auf denen Bezirksvorsteher Blimlinger ihn auf das Übermalen von Kinderzeichnungen verwies, beide den Kleinbuchstaben aufweisen, hat ein Tag, den der frisch freigelassene Renato S. laut dem Schweizer Onlineportal Watson in einer Zürcher Bar angebracht hat, den Großbuchstaben.
Bald: Restaurierung und Echtheitszertifikate
Von einer alleinigen Verantwortung des Renato S. für sämtliche Puber-Gaffiti geht heute wohl niemand mehr aus, eine zentrale Person, die mit dem Phänomen Puber das individuelle Kunstschaffen und unsere Vorstellung von Street-Art transzendieren will, ist aber immer noch durchaus vorstellbar. Oder Puber ist wirklich ein Cloud Artist, einer, dessen Werk ohne konkrete Person auskommt. Oder man kann, wie der Besitzer der Bar in Zürich, der Renato S. seine Wand zum Bemalen überließ, Puber als wider den Zeitgeist agierenden Old School Sprayer sehen, der sich gegen eine weichgewaschene Street-Art der legalen und konformen Pracht-Pieces auflehnt und sich in den schmutzigen Randbereichen der Gesellschaft wohler fühlt.
Vielleicht wird ja die von Puber selbst gedrehte Dokumentation über seine Wiener Zeit jenseits der Selbstdarstellung (»Guter Schwanz, dicker Schwanz, großer Schwanz«) da etwas Aufklärung bringen. In jedem Fall ist es längst überfällig, dass die Hausverwaltungen Plexiglasscheiben vor ihren Pubers anbringen lassen. Auf die ersten Restaurierungsversuche und Echtheitsstreitigkeiten darf man sich freuen.
Für 17. Februar ist eine Ausstellung mit Werken von Puber in der Galerie von Martin Ho angekündigt, als auch ein Kurzfilm über ihn mit dem wohl als Provokaktion gedachten Titel »Mein Kampf Vol.1«. The Message hat kürzlich gefragt, ob Puber als MTS wieder aktiv ist. Das Youtube-Video stammt von Puber und MTS Vienna Graffiti. Do the math.