Weniger Dringlichkeit, mehr Farben: Cloud Nothings – „Life Without Sounds“

Die Band Cloud Nothings rund um deren Kopf und Stimme Dylan Baldi lässt auf ihrem neuen Album die frühere Dringlichkeit vermissen. Statt grau gibt es dafür jetzt mehr Farben.

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© Jesse Lirola

Longsleeve, dicke Hornbrille und zerzaustes Haar – Dylan Baldi ist ohne Zweifel ein Archetyp der Indie-Kultur. 2008 begann er, in Cleveland, Ohio, unter dem Namen Cloud Nothings Lo-Fi-Songs und Texte über die altbekannten Probleme des Erwachsenwerdens zu schreiben. Mit aktuell drei Mitmusikern hat sich aus dem einstigen Soloprojekt längst eine Band entwickelt, deren Sound so krachig wie wiedererkennbar ist. Auf dem – je nach Zählweise – vierten oder fünften Langspieler „Life Without Sounds“ zeigt Baldi nun, dass sich sein Kosmos keineswegs nur um Lärm dreht, sondern dass er mit Zeit und Ruhe einen vielschichtigen Sound entwerfen kann.

Schon das Piano im Opener „Up To The Surface“ deutet darauf hin, dass sich bei der Band einiges geändert hat. Die gewohnt schroffe Haudrauf-Manier wurde offenbar ad acta gelegt, das Schreien zu Gunsten der Melodien reduziert. Stand beim gefeierten Vorgängeralbum „Here And Nowhere Else“, das quasi zwischen zwei Touren geschrieben wurde, vor allem die Spontanität im Vordergrund, dominiert die Stücke auf „Life Without Sounds“ eine gewisse Ausgewogenheit.

Good old buddy Baldi

Wie ein Freund aus der Pubertät, der sich lange versteckt hielt, tritt Baldi auf. Trifft man ihn, wird – wie immer – über dieselben adoleszenten Unannehmlichkeiten geredet. „I am alive but all alone“, heißt es mit gewohnter Direktheit in „Modern Act“, der ersten Single, die als leichtfüßiger Gitarrenpop daherkommt. Im dazugehörigen Video inszenieren sich die Bandmitglieder als Greise, die vom Sensenmann geholt werden. Ihr Glück: Die Auferstehung zelebrieren sie an einem paradiesischen Strand als fröhlich spielende Band – engelsgleich in weißen Outfits.

Cloud Nothings öffnen sich auf ihrem neuen Album, sie lassen das Grau zurück und fahren hinaus in eine Welt, in der es dem Anschein nach mehr Farben gibt. Doch genau durch diese Öffnung gehen die simplen Momente verloren, die ihren Songs stets Kraft verliehen. Die Wut und vollkommene Verzweiflung Baldis, gespiegelt in Soundästhetik und Gesang, haben die adoleszente Dringlichkeit der Band ausgemacht, die sie – so scheint es – nun hinter sich gelassen hat.

Das Album „Life Without Sounds“ von Cloud Nothings erscheint am 27. Jänner 2017 bei Wichita Recordings.

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