Österreichische Urban Legends und ihr Reiz

Urban Legends sind skurrile Erzählungen, die oftmals angeblich Freunden von Bekannten oder Bekannten von Freunden passiert sind. 9 moderne Sagen aus 9 Bundesländern.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

Urban Legends, oder auf deutsch moderne Sagen, sind Geschichten und Anekdoten, die meist skurrile beziehungsweise makabre Elemente enthalten. Diese Erzählungen sind einfach zu gut und seltsam, die Handlungsverläufe scheinen zu zufällig und sind doch zu geplant, um wahr zu sein.  Oftmals handeln sie von Vorfällen, die Freunden von Freunden (friend of a friend) passiert sind und der Ursprung dieser Erzählungen kann meist nicht mehr ausgemacht werden. Häufige Motive der Geschichten sind Angst, Rache und Humor. Früher wurden sie mündlich weitergegeben, später wurden sie durch Zeitungen einer breiteren Masse zugänglich gemacht und heute verbreiten sie sich via E-Mail, Websites und Social Media. Die Menschen, die moderne Sagen weitererzählen, sind dabei nicht unbedingt Lügner, sondern geben weiter, was sie für durchaus wahr halten. Im Gegensatz zu klassischen Fake-News sind die Geschichten allerdings meist weniger aktuell und unpolitisch und können dadurch über Jahre hinweg immer wieder erzählt werden. Ein bekanntes Beispiel für eine Urban Legend ist die Geschichte eines Mannes, der auf einer Geschäftsreise von einer Frau verführt wird, und am nächsten Tag aufwacht und bemerkt, dass ihm eine seiner Nieren operativ entfernt wurde. Auch die Spinne in der Yucca-Palme und die Alligatoren unter den New Yorker Straßen gehören zu den modernen Sagen. Viele Urban Legends gibt es seit Jahren und sie werden je nach Standort und Zeit leicht abgewandelt erzählt.

„Sagen und Erzählungen werden seit Menschengedenken weitergegeben, die modernen Sagen sind nur ein Kreis bestimmter Erzählungen: jene kurzen Berichte mit oft negativem oder warnenden Inhalt, um besonders eindringlich auf etwas aufmerksam zu machen“, erklärt Wolfgang Morscher. Er sammelt Urban Legends und Sagen auf der größten deutschsprachigen Plattform sagen.at – knapp 12.000 Erzählungen finden sich mittlerweile auf der Seite. Der Reiz, so Morscher, liege vor allem darin, dass die Geschichten an der Realität kratzen und eine Verifzierung oft schwierig möglich sei – ein Phänomen, mit der auch die Sendung X-Faktor in den 90er-Jahren zahlreiche Zuschauer vor den Bildschirm lockte. „Diese Geschichten beschäftigen uns, weil sie doch gerne einen gewissen Schauer auslösen und wir mit ihrer Glaubwürdigkeit beschäftigt sind“, vermutet Morscher. Oft enthalten moderne Sagen kurze Berichte mit negativem oder warnenden Inhalt sind, die auf etwas aufmerksam machen sollen. Das Internet spiele bei der Verbreitung der klassischen Urban Legends im Gegensatz zu Bilderfälschungen oder Fake News kaum eine Rolle. „Die wirklich schönen modernen Sagen werden noch immer von einem Freund erzählt, der mit tiefer Überzeugung eine schreckliche Sache erzählt, die einem Freund passiert ist“, so Morscher.

Problematisch werden Urban Legends, wenn sie für wirkliche Nachrichten gehalten und nicht nur als Schauergeschichten weitererzählt werden. So kam es 2012 in Österreich zu E-Mails, in denen vor mit HIV infizierten Nadeln, die in Kinositzen versteckt sein sollen, gewarnt wurde.

Wir haben neue Urban Legends gesammelt, die angeblich alle so in einem österreichischem Bundesland passiert sind.

Wien: U1 Station Stephansplatz

Eine Urban Legend aus Wien will den Gestank in der U1 Station Stephansplatz erklären. Angeblich sei beim Bau der U-Bahn ein Bauarbeiter versehentlich eingemauert worden – die Leiche des Mannes würde nun seit Jahren den Gestank verursachen. Eine andere Geschichte besagt, dass es früher üblich war, kleine Tiere zwischen den Mauern einzusperren. Dieser Vorgang soll Glück bringen und einen Einsturz verhindern.

Beide Geschichten sind von der Wahrheit weit entfernt. Beim Bau der U-Bahnstation wurde ein biologisches Bindemittel verwendet. Sobald dieses in Kontakt mit Wasser kommt, beginnt es unangenehmen Duft abzusondern.

Burgenland: Sand in den Sandalen

Eine moderne Sage, die sich im Burgenland abgespielt haben soll, handelt von zwei Bauarbeitern. Einem der beiden kam bei Arbeiten neben der Mischmaschine Sand in die Sandalen, daher hielt er sich an der eingeschalteten und rüttelten Mischmaschine fest und schüttelte den Sand aus seinem Schuh. Sein Kollege stürmte panisch herbei und schlug mit einer Schaufel auf die rüttelnden Arme des Mannes und brach ihm damit beide Hände, da er dachte, dieser sei in den Stromkreis geraten.

Steiermark: Das Kaninchen

Eine Gruppe Studenten veranstaltete eine Feier im Garten, um ihr erfolgreich abgeschlossenes Studium zu feiern. In der Nacht eilte der Haushund herbei und hatte ein totes Kaninchen im Maul. Der Bewohner des Hauses erkannte darin das geliebte Kaninchen der Nachbarn. Um keine Probleme mit den Nachbarn zu bekommen beschlossen die Studenten, das dreckige Kaninchen zu waschen und zu föhnen. Anschließend platzierten sie das tote Tier wieder im Käfig am Nachbargrundstück.
Am nächsten Tag traf der Hausbewohner seinen aufgeregten Nachbarn der erzählte: „Stell dir vor, gestern ist mein Kaninchen gestorben und ich habe es im Wald vergraben. Als ich heute bei seinem Käfig vorbeigehe, sitzt es wieder wie drinnen.“
Diese Geschichte wird auf der ganzen Welt erzählt, manchmal werden Hund oder Kaninchen durch eine Katze ersetzt.

Kärnten: Die Almhütte

Diese Geschichte soll in den 1970er Jahren auf einer Kärntner Alm passiert sein: Auf einer Almhütte fand eine Feier statt, unter den Gästen war auch eine junge Frau, die dort übernachten wollte. Als sie erfuhr, dass kein Schlafplatz mehr frei sei, ging sie um kurz nach Mitternacht zu ihrem Auto, das einige Minuten entfernt geparkt war. Mit einer Taschenlampe in der Hand spazierte sie bergab als sie seltsame Geräusche hinter sich wahrnahm. Sie lief zu ihrem Auto, schlug die Tür zu und hörte plötzlich einen grellen Schrei. Panisch fuhr sie nach Hause. Dort angekommen redete sie sich ein, dass sie sich das Ganze nur eingebildet hatte, doch als sie die Autotür wieder öffnete, fielen drei blutige Finger auf den Boden.

Niederösterreich: Organmafia in der SCS

Vor einigen Jahren soll sich in der SCS folgendes zugetragen haben: Eine Frau war mit ihrem siebenjährigen Sohn einkaufen. Das Kind verschwand plötzlich während dem Einkauf. Die Eingänge des Centers wurden danach geschlossen, um das Kind zu suchen. Der Bub wurde kurze Zeit später auf der Toilette gefunden. Er trug andere Kleidung und sollte – so die Sage – von der Organ-Mafia abtransportiert werden.
Online lassen sich zahlreiche ähnliche moderne Sagen zu entführten Kindern finden. So glaubte eine brasilianische Journalistin in den 90er Jahren einer Organmafia auf der Spur zu sein, die adoptierte Kinder entführt haben soll. In Wahrheit gab es für diese Vermutungen keine Beweise – die Familien der adoptieren Kinder hatten schlichtweg die Adressen.

Oberösterreich: Der leere Tank

Ein Paar fuhr mit seinem Auto durch den Kobernaußerwald, als plötzlich der Tank leer war. Der Mann machte sich deshalb auf den etwa einen Kilometer langen Weg zur Tankstelle, die Frau blieb währenddessen alleine im Auto zurück. Sie drehte das Radio auf und hörte in den Nachrichten, dass ein Irrer aus einer Anstalt entflohen sei. Dann hörte sie ein Kratzen und Tropfen. Aus Angst rief sie die Polizei an, die kurz darauf erschien. Der Polizist holte die Frau aus dem Wagen und erklärte, sie dürfe sich auf keinen Fall umdrehen. Als sie sich dennoch umsah, sah sie den Irren mit einer Axt in der einen Hand und dem Kopf ihres Mannes in der anderen.

Salzburg: Die schwarze Frau

Eine mysteriöse Frau soll laut Autofahrern in den 80er-Jahren auf der Pinzgauer Bundesstraße Auto gestoppt haben. Nach wenigen Minuten soll sie den Fahrern jeweils erklärt haben, dass diese ohne sie einen Unfall gehabt hätten. Danach verschwand sie jeweils spurlos. Von den Anrainern wird die „schwarze Frau“ für eine verstorbene Kellnerin, die tatsächlich auf der Straße verunglückt war, gehalten.

Tirol: Der kleine Hund

Das Ehepaar Fritz aus Innsbruck soll in den 80er Jahren ein Tier in der Größe eines Chihuahuas vor ihrer Haustüre gefunden haben. Sie adoptierten den kleinen Hund, der später ihre Katze adoptiere und tötete. Anschließend stellte sich heraus, dass das Tier kein Hund, sondern eine Ratte war.
Diese Urban Legend wird auch mit einem Deutschen Tourist als Hauptperson verbreitet, der einen „Hund“ aus Indien mit nach Hause nimmt. Einige Boulevardzeitungen berichteten von ähnlichen Vorfällen, bei denen Ratten als Hunde ausgegeben wurden.

Vorarlberg: Der Motorradfahrer

Vorarlberger Medien sollen in den 50er-Jahren folgendes berichtet haben: In Lindau am Bodensee hat sich ein eigenartiger Verkehrsunfall ereignet. Ein Motorradfahrer wurde, als er hinter einem LKW nachfuhr, von einem Blech geköpft, das vom Lastwagen herunterfiel. Das Motorrad fuhr einige Meter weiter und rammte eine Frau und ein Kind, die beide verletzt wurden. Der Lastwagenfahrer sah den kopflosen Motorradfahrer und erschrak so sehr, dass er gegen zwei Fußgänger fuhr. Vor Schreck erlitt der LKW-Fahrer einen Herzinfarkt und starb.
In den USA existiert die Legende des „Elmore Rider“, die von einem kopflosen Geist eines verunglückten Motorradfahrers handelt.

Bei all diesen Geschichten handelt es sich um moderne Sagen, nicht um wahre Begebenheiten. Mehr moderne Sagen findet man beispielsweise in den Büchern „Die Spinne in der Yucca Palme“ oder „Encyclopedia of Urban Legends“.

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...