Olivier Assayas im Gespräch über seinen Film „Personal Shopper“ mit Kristen Stewart

Geister, Fashion-Industrie, die Rekonstruktion des Selbst – Olivier Assayas neuer Film „Personal Shopper“ thematisiert vieles zugleich. Der Regisseur im Gespräch mit The Gap über die Geister um uns und mehr.

Im Film scheint es normal zu sein, dass Geister existieren. Warum?

Ich denke, dass wir uns alle darauf einigen können, dass Geister in einer gewissen Art existieren, nur verwenden wir den Begriff Geist nicht. Ich denke, wir stimmen alle dem Fakt zu, dass wir innere Konversationen mit Menschen, die wir lieben, die aber nicht mehr da sind, haben, oder mit Kreaturen der Vergangenheit oder auch mit Büchern, die wir vor einigen Jahren gelesen haben, die aber weiterhin in uns sind. Das sind alles Geister, nur nennen wir sie nicht so. In dem Film mochte ich die Idee, dass diese inneren Gespräche, diese Ängste außerhalb von Maureen projiziert werden können. Das gibt dem Ganzen eine sichtbare Verkörperung. Wenn du etwa nachts alleine in einem Haus bist, dann hast du Angst – aber du hast nicht Angst vor dem Draußen, sondern vor dem, was in dir ist.

„Personal Shopper“ ist weiters eine Reflexion über unsere Besessenheit von Luxus und Konsum. Warum denken Sie haben wir diese Besessenheit und wie können wir sie überkommen?

Ich denke wir alle haben eine ambivalente Beziehung zu Luxus. Wenn wir die Preise der Luxus-Industrie sehen, merken wir, dass sie obszön sind – ähnlich wie beim Kunstmarkt. Zugleich merken wir aber, dass der Luxus etwas Schönes an sich hat. Mode hat etwas Magnetisches und Künstlerisches an sich. Und ich denke, dass Maureen ebenso eine ambivalente Beziehung dazu hat, es ist zugleich dieselbe ambivalente Beziehung, die wir mit der modernen Welt haben: Wir haben Probleme mit ihr und sind fühlen uns aber auch von ihr angezogen, auch weil wir Teil davon sind. Maureen ist daher frustriert über ihren Job, über die Modewelt, aber zur gleichen Zeit befindet sie sich im Prozess der Selbstfindung, sie stellt ihre eigene Weiblichkeit in Frage und sie merkt, dass Mode ihr ein Ventil gibt, um sich zu verändern.

Maureen hasst ihren Job und auch ihre Chefin Kyra, aber sie hat auch ihre Probleme damit, ihr Leben zu verändern und weiterzuziehen. Kann man also sagen, dass das Schicksal ihrer Chefin eine Art Befreiung für sie darstellt?

Ja, es ist ein Weckruf. Dadurch merkt sie, dass sie beim Versuch, ihren Bruder zu kontaktieren, zu weit gegangen ist. Sie merkt auch, dass sie nun ihr Leben weiterleben muss und es befreit sie davon, in Paris steckenzubleiben. Es treibt sie an und dadurch erfährt sie schlussendlich eine Antwort.

In vielen Szenen sehen wir auch, wie Maureen unterwegs, zum Beispielen in den Szenen im Zug. Sie zeigen eine gewisse Art von Heimatlosigkeit. Warum?

Es geht um Einsamkeit. Sie steckt in dieser Stadt fest, die nicht ihre ist, in diesem Land, das nicht ihre Vergangenheit und womöglich auch nicht ihre Zukunft ist. Sie ist dort, weil sie wartet. Und ich mochte die Idee einer Figur, die komplett offen ist, um mit etwas Anderem zu kommunizieren, weil alles um sie herum ihr fremd ist.

Sie haben auch bei Ihrem vorigen Film „Clouds of Sils Maria“ mit Kristen Stewart zusammengearbeitet. Warum haben Sie sie auch für „Personal Shopper“ engagiert, was macht sie so besonders als Schauspielerin?

Ich denke, ich habe Kristen entdeckt, als ich „Clouds of Sils Maria“ gemacht habe. Schon zuvor habe ich sie geliebt und ich war sehr froh, dass sie in diesem Film mitgewirkt hat, aber vor dem Dreh war mir nicht bewusst, wie weit sie als Schauspielerin gehen konnte. Beim Dreh zu „Clouds of Sils Maria“ habe ich dann gemerkt, dass ich sie immer weiter pushen konnte und sie das alles großartig gemeistert hat. Daher wusste ich schnell, dass ich wieder einen Film mit ihr drehen musste, um ihr und ihrem Talent noch mehr Raum zu geben. Und nun denke ich, dass ich gerne noch einen weiteren Film mit ihr drehen möchte (lacht). Uns beiden ist eine bestimmte Sensibilität gemein, wir funktionieren ähnlich.

Kann man daher sagen, dass sie auch in anderer Weise geholfen hat, damit dieser Film zustande kam?

Sie hat mich zu diesem Film inspiriert. Wenn du ein Drehbuch schreibst, dann musst du wissen, dass es da draußen eine Schauspielerin gibt, die diesen Part überhaupt spielen kann. Wenn ich den Film etwa auf Französisch gedreht hätte, dann hätte ich nicht gewusst, wen ich für die Rolle der Maureen casten hätte sollen. Diese Geschichte ist wirklich abhängig von Kristen und ihrer Spezifität als Schauspielerin. Zudem denke ich, dass sie mich auch inspiriert hat, sie fordert mich heraus, weil sie eine so unglaubliche Präsenz auf der Leinwand hat, sie lässt alles real erscheinen – selbst die merkwürdigsten Dinge. Ihr Schauspiel lässt alles glaubhaft wirken.


„Personal Shopper“ ist ab 27.01.2017 in den österreichischen Kinos zu sehen.

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