Jäger des verlorenen Schatzes

Trash Rock Archives, die Wiener Institution für verloren geglaubte heimische Musikgeschichte, legt mit der Compilation „Schnitzelbeat #1 – I Love You Baby!“ ein absolut empfehlenswertes Dokument scheppernder, österreichischer Raritäten vor.

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Sowohl in der medialen Aufarbeitung als auch im kollektiven Bewusstsein der lieben Österreicherinnen und Österreicher steht ein Wort für einheimische Musik der 1970er bis 1990er Jahre: Austropop. Auch wenn sich insbesondere im Wasserkopf Wien im letzen Jahrzehnt eine differenzierte und vitale Szene herausgebildet hat.

Als in den frühen 1960er Jahren die Beatmusik zu ihrem globalen, „British Invasion“ genannten Siegeszug ansetzt und Bands wie The Beatles, The Rolling Stones und The Kinks zu internationalen Superstars macht, scheint Österreich – zumindest in der pophistorischen Geschichtsschreibung – davon ausgenommen. Klar, The Rolling Stones belegen 1965 acht Wochen lang mit „(I Can’t Get No) Satisfaction“ den ersten Platz in den österreichischen Hitparaden, die erste heimische Beat-Platte, die öffentlich wahrgenommen wurde, wurde aber erst 1966 produziert. Rund zwei Jahre später als in den meisten westlichen Ländern. Die Bedingungen für diese jungen Bands erwiesen sich als so schwierig, sodass fast alle von ihnen unbekannt blieben.

Die Kulturinitiative Trash Rock Archives, betrieben von Al Bird Sputnik, DJ, Musiker und Musikjournalist, hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese unbekannte österreichische Musik der Gegenkultur zu präsentieren und einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zwei Youtube-Playlisten, begleitet von ausführlichen Darstellungen der darin enthaltenen Künstler, bieten einen herausragenden Überblick über die jeweiligen Szenen. Der erste Teil dieser Darstellung beschäftigt sich mit der angesprochenen verspätetet eingesetzen Beatmusik der späten 1960er und frühen 1970er Jahre. Der zweite Teil befasst sich mit der äußerst spannenden Geschichte des österreichischen Punk und Postpunk von 1979 bis 1985 und präsentiert Bands wie die legendären Hotel Morphila Orchester, Chuzpe oder Blümchen Blau.

Schnitzel Beat #1

Als vorläufigen Höhepunkt, was sowohl das Alter der Stücke als auch die Art des Releases betrifft, veröffentlichte Al Bird Sputnik nun die Compilation „Schnitzel Beat #1 – I Love You, Baby! Twisted Rock-N-Roll, Exotica & Proto-Beat Unknowns From Austria 1957 – 1965/66“. Auf diesem 16 (LP-Version) bzw. 20 (CD) Songs starken Sampler findet sich der Gegenbeweis dazu, dass Musik aus Österreich in den 1950er und 60er Jahren nur aus Peter Alexander, Heimatliedern und „Schlagerschlösschen am Wolfgangsee“ bestand.

Dieser erste Part einer mehrteiligen Serie an physischen Veröffentlichungen bietet einen Überblick über verschiedenste Stilrichtungen und bewegt sich von Surfrock – wie unter anderem von Johnny & The Shamrocks, The Austrian Evergreens und Errol Ribeiro & The Vienna Beatles – über Doo-Wop (Franco Runa) bis Country-Rock’n’Roll wie er von Ferry Graf oder Dolf Kauer & The Charly-Combo gespielt wurde. Auch wenn Elvis Presley selbst nie in Österreich aufgetreten ist – der Einfluss des amerikanischen King of Rock’n’Roll ist allgegenwärtig, besonders bei Rockie Jackson.

Neben der stilistischen Vielfalt und dem absoluten Exotenfaktor der einzelnen Interpreten – Die Bambis sind sicherlich die bekanntesten – kann „Schnitzelbeat #1“ auch qualitativ überzeugen. Hinsichtlich der Songs und vor allem aufgrund des äußerst (!) großartigen und informativen Begleitmaterials, was diese Compilation nahezu unverzichtbar macht.

„Schnitzelbeat #1 – I Love You Baby! Twisted Rock-N-Roll, Exotica & Proto-Beat Unknowns From Austria 1957 – 1965/66“, limitiert auf 500 Stück je Tonträger, erschien am 29. November 2013 via Digatone (LP-Version) sowie via Konkord (CD-Version).

Bild(er) © Trash Rock Archives Bandfotos (von oben nach unten): Die Bambis Errol Ribeiro & The Vienna Beatles Ferry Graf The Austrian Evergreens Robert Benett The Hubbubs
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