Tamponaden, ein bisschen deeper

"Pisse" war letztes Jahr ein Hit für Jahresrückblicke und WG-Partys. Die schnieke deutsche Band Schnipo Schranke hat aber noch mehr geile Zeilen auf Lager.

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Schnitzel und Pommes Schranke. Ketchup, Mayo. Fertig ist der Namen, und das Aufsehen ist groß. Schon im Vorjahr war ihr "Pisse" ein Riesenhit, mit seinen Nanana-Chören, den eigenartigen Reimen und natürlich dem Text, dass Liebe auch vor Typen nicht Halt macht, die untenrum nach Pisse riechen. Jahrescharts gab es dafür noch und nöcher. Das ist die neue Schule, das ist Schnipo Schranke, das sind Daniela Reis und Friederike Ernst – man darf sie auch Fritzi nennen. Am Album ist der Smash-Hit etwas entschärft, ein bisschen deeper sollte es sein, "nicht unbedingt so’n Ballermann-Party-Hit", sagen sie. Den Leuten hat es jedenfalls getaugt. Auch weil eine deutsche Frauenband selten zuvor so offen und detailliert von Ferkeleien erzählt hat, von Selbstentblößung, Erniedrigung und sympathischem Häusl-Humor.

Aus dem Leben gegeriffen

Es singt immer die, die den Song auch geschrieben hat. Es soll ja autobiografisch sein. "Sonst kommt man ja gar nicht drauf", sagen sie. Es gibt Geschichten vom Abwasserkanal, in dem keine Limonade schwimmt, von Tamponaden auf Reisen und – im vielleicht besten Song des Albums namens "Cluburlaub" – von blanken Busen auf Cocktailbars in Panama. Ihre Songzeilen möchte man sich für Tinder-Chats einspeichern. "Du machtest tolle Fotos von mir auf deinem Lokus im Retrostyle" etwa. Oder "Keiner kann mir nehmen, was zwischen uns liegt. Oh Baby, dein Sperma schmeckt so intensiv". Man ist sich auch nicht für die offensichtlichen Wortspiele zu schade. "Du bist echt ein Unikat, das morgen wieder Uni hat." Ganz alltägliche Probleme eben, leicht verdreht, dass sie sich einprägen und man schnell mitsingen und mitschwingen kann.

Straßenbahndisko

Vorgetragen wir das stimmlich mal ausladend – man kommt von der Klassik –, mal naiv-schön gerappt wie in der Single "Schrank". Auf Albumlänge klingt das alles noch ausgefeilter. Schließlich hat Buback-Gründer und Goldene Zitrone Ted Gaier produziert und das Zitronen-Instrumentarium zur Verfügung gestellt. Deshalb hört man auch Flöten. Nach wenigen Durchläufen kennt man es auswendig. So kann guter Pop eben funktionieren, als Begleiter in allen Lebenslagen, als Sprichwörterbuch für einschläfernde Abende und trotz aller Reduziertheit auch als Straßenbahndisco. Live wechseln sich die beiden Schnipos an Klavier und Schlagzeug ab. Dazu kommt ein bisschen Geflirre von den Synthesizern, die ein geschniegelter Schnauzbartträger bedient – man darf ihn Ente nennen. Sie stehen da in blauen vietnamesischen Militäruniformen. "Man muss sich schon ’ne Arbeitskleidung anziehen, um das richtige Bühnengefühl zu haben", sagen sie.

Sag ja zu Pisse

Identifikationspotenzial haben die beiden Mittzwanzigerinnen reichlich. Auch wenn sie im Smalltalk eher awkward sind und »schnell zu detailliert werden und sagen, was keiner so genau wissen wollte«. Feminismus! schreien einige. Schließlich haben Schnipo Schranke dieses Spiel mit der Selbstermächtigung und der Selbstbestimmung verstanden wie wenig andere. Ganz eigene Sprachbilder gibt es obendrauf. Das wäre aber eigentlich nur Zufall, sagen sie. Aber wenn Leute das in diese Richtung interpretieren wollen, wäre das auch nicht das Schlechteste.

"Satt" von Schnipo Schranke erscheint am 4. September via Buback.

www.facebook.com/SchnipoSchranke

Live in Österreich: 6.11. Graz , 7.11. Linz, 8.11. Wien, 11.11. Innsbruck, 12.11. Krems, 13.11. Lustenau und 14.11. Ebensee

Bild(er) © 1,3 & 4: Jenny Schäfer
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