Das Kunstforum macht jetzt auch Pop-up, und zwar mit Konzert. Gestern durfte Blumfeld-Gründer und Neo-Autor Jochen Distelmeyer zwischen Gursky, Hütte und Fulton aufspielen.
Jochen Distelmeyer Pop-up Konzert Foto von Christoph Kranebitter 01
Jochen Distelmeyer Pop-up Konzert Foto von Christoph Kranebitter 02
Jochen Distelmeyer Pop-up Konzert Foto von Christoph Kranebitter 03
Jochen Distelmeyer Pop-up Konzert Foto von Christoph Kranebitter 04
Jochen Distelmeyer Pop-up Konzert Foto von Christoph Kranebitter 05
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Jochen Distelmeyer Pop-up Konzert Foto von Christoph Kranebitter 07
Jochen Distelmeyer Pop-up Konzert Foto von Christoph Kranebitter 08
Jochen Distelmeyer Pop-up Konzert Foto von Christoph Kranebitter 09
Kunst mit Musik zu verbinden ist derzeit ziemlich trendy – das Mumok hatte Phantom Ghost, das 21er Haus den guten Peter Weibel. Für die Ausstellung „Landscape In My Mind“ fand gestern im Kunstforum nun das zweite so genannte Pop-up-Konzert statt.
Die Ausstellung selbst zeigt Landschaftsfotografien, zumindest auf den ersten Blick. Die Werke bauen jedoch nicht auf den dokumentarischen Charakter von Fotografien auf, sondern brechen eigentlich mit ihm und der wahrgenommene Realität. Es geht nicht um die Wahrheit, sondern um das Gegenteil. Oft sind die Bilder keine wirklichen Fotos, sondern collagenartige Tableaus. Man greift auf Fotos von Amateuren zurück (Found Footage) oder lichtet dafür ausgesuchte, eigene Objekte ab. Die Fotografie dient nicht als Gedächtnis und Spiegel der Realität, sondern als Verzerrer ebenjener. So führen einen die Werke – so wie oft auch die Texte Distelmeyers, ein wenig an der Nase herum und aufs Glatteis. Unterstützt wird das auch durch die Verwendung neuer Technologien wie Kurator Florian Steininger einleitend erklärt.
Welche Schule
Dass nun Jochen Distelmeyer für die zweite Edition der Konzertreihe ausgewählt wurde, speist sich aus zwei Umständen. Zum einen verbindet die ausgestellten Künstler und den Ex-Blumfeld-Frontman ein ähnlicher Überbegriff. Bei Distelmeyer ist das der etwas strittige Begriff der „Hamburger Schule“, die sich in den frühen 90ern etablierte. Beinahe zeitgleich formte sich in Düsseldorf rund um Bernd und Hilla Becher die Düsseldorfer Photoschule, kurz „Becher-Schule“, der die ausgestellten Künstler (Gursky, Hütte, Struth, Ruff) zugeschrieben werden. Eine weitere, formale, Parallele findet sich in den Songtexten selbst. So tun sich beim Hören von Blumfeld-Texten und dem späteren Solowerk Distelmeyers halt auch Landscapes im Kopf des Hörers auf. In Distelmeyer im Februar veröffentlichtem Buch „Otis“ spielt auch eine Landschaft die Hauptrolle: Berlin.
Pickelface Ist Back In Town
Die Bühne gestern war dann im mittleren Saal angesiedelt und wirkte – flankiert von den zwei großen Stücken Andreas Gurskys (James Bond Islands) – schon ziemlich prächtig-mächtig. Grün beruhigt ja auch und so. Die knapp 100 Gäste ließen sich gediegen zwischen den Landschaftsfotografien in die Sessel fallen. Fast pünktlich enterte dann der schlaksige Distelmeyer samt passend floralem Frühlingshemd und süffisantem Lächeln. Das Setting beschränkte sich lediglich auf zwei Akustikgitarren, Keyboard und E-Gitarre. Erster Song: „Eintragung ins Nichts“. Würdiger Auftakt. Distelmeyer besang den Sternenstaub („Wir sind frei“) und man musste zwangsläufig an die Sterne Thomas Ruffs denken. Die Erde hat uns wieder. Pickelface Ist Back In Town. Einzig die Gitarre wollte nicht so richtig und verstimmte sich dauernd. Distelmeyer verortete den Umstand und bat kurzum die Techniker die Lüftung abzudrehen. Wenn schon sitzen, dann kann man auch ein bisserl schwitzen.
Selbstbewusst wie die Fotografien an den Wänden arbeitete sich der Fast-50er durch sein Gesamtwerk. Old Nobody, Ich-Maschine, Jenseits von jedem. Alles dabei. Bei „Tausend Tränen tief“ wurde dann auch energisch auf die Bühne gestampft, auf den Gitarrenkorpus geschlagen und zeitgleich gefingersnappt. Das animiert meinen Vordermann auch mit zu schnippen – Just don’t do it, Kollege. Ein Highlight sicherlich das Cover von Britney Spears’ „Toxic“. Landschaften und Verschmutzung – das passt.
Zwischendurch lässt uns Distelmeyer wissen, dass er uns spitze und eigentlich auch ziemlich funky findet. Das locker-ironische „April“ passte dann auch – sowohl in die Umgebung als auch in die Jahreszeit. Mit „Ich brauch ne Tschick“ leitet der Hüne dann die letzten Songs ein. „Kommst du mit in den Alltag“ war Vorletzter. Der allerletzte Song will sich bis heute nicht ergoogeln lassen. Am Schluss gab’s dann Gratisbier. Sehr fein. Alles.