In seiner Modekolumne »Einteiler« bespricht unser Kunst-, Design- und Moderedakteur Gabriel Roland unter dem Motto »die österreichische Modeszene Stück für Stück« jeweils ein Textil aus einer Kollektion. Dieses Mal: Blaugepunktetes von Sightline.
Manchmal kann man sich nichts Ruhigeres vorstellen, als blaue Punkte in einem unregelmäßigen Raster. Der eine mag etwas größer sein, der andere dafür etwas runder. Und auch wenn ihre Farbe nicht gleichmäßig ist, so scheinen die schwankenden Reihen doch friedlich auf ihrem wallenden Untergrund zu ruhen – friedlich und vor allem malerisch und auch sommerlich.
Der Fluss der blauen Punkte und des weißen Stoffes ist natürlich weder zufällig noch selbstverständlich. Als Rohmaterial ist er zwar die Voraussetzung für ein Kleidungsstück, aber wie oft spricht man von Stoff und seiner Gestaltung als eigenständigem Interessensgebiet? Wer macht sich jenseits von Materialzusammenstellungen über die Herstellung von Textilien Gedanken und wer kennt TextildesignerInnen?
Auch wenn ihre Erzeugnisse direkt am Körper liegen, ist die Welt der Textilerzeugung weit weg von den EndverbraucherInnen. In den letzten Jahren aber hat der Digitaldruck das Verhältnis von Bild und Textil grundlegend verändert. So hat die Digitalisierung wie in vielen anderen Sparten auch in der Modebranche Produktion und Konsum enger zusammengebracht.
Im Freudentaumel der Fertigung nach individuellen Maßgaben und Vorstellungen wird oft vergessen, dass diese direkte Verbindung in den meisten Fällen alles andere als ein Ersatz für die Arbeit von DesignerInnen ist. Gleichzeitig bedeutet die Digitalisierung aber auch eine Reduktion der Mindestproduktionsmengen und damit eine massive Erweiterung des Gestaltungsfreiraumes für kleine Labels.
Vor einigen Jahren wäre es für eine Marke wie Sightline noch unvorstellbar gewesen eigens für eine Kollektion Stoffe herstellen zu lassen. Heute ist der Weg von einem Wasserfarbenentwurf zum gepunkteten Stoff einer Bundfaltenhose ungleich kürzer und ökonomisch machbar. Bei manchen kleinen Labels sind selbst entworfene Stoffe daher ein beliebter Weg geworden, sich von der Konkurrenz abzusetzen.
Auch wenn sich Sightline nun die digitale Flexibilisierung des Textildrucks zunutze macht, liegen die Ursprünge des Labels im unvermittelten Kontakt zu den EndverbraucherInnen: Vivien Sakura Brandls jahrelange Erfahrung als Inhaberin des Sight Stores in Wien inspirierte sie schließlich zum eigenen Label. Textilien werden für ihre Entwürfe auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Für FW17/18 darf man sich auf raren japanischen Denim freuen.
Über Sightline kann man sich unter www.sightline.at informieren. Die besprochene Hose und die anderen Teile der Sommerkollektion 2017 sind noch im Sight Store in der Kirchengasse 24, 1070 Wien erhältlich.