Acolyte

Kleine Schritte in die Zukunft

Delphic sind keine Revolutionäre. Ihr Debüt ist kein großer Wurf. Es wurde zum Schlüssel-Release auserkoren und wird die Erwartungen in Maßen erfüllen.

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Wenige Bands haben für 2010 soviele Vorschusslorbeeren bekommen wie das Quartett Delphic aus Manchester. Der Ausblick auf die kommenden zwölf Monate hat sich mittlerweile in Magazinen und Blogs ebenso eingespielt wie die alljährlichen Bestenlisten. BBC macht etwa so eine viel beachtete Liste, die in Wirklichkeit (nicht nur aber auch) eine Art Strategiemeeting der britischen Medien- und Musikindustrie darstellt: Wahrscheinlich lässt es sich sogar in sechsstelligen Zahlen messen, was Vertreter von /NME/, Universal, Radio 1, Channel 4 und Festival Republic da zusammenbrauen. Manches davon ist sicherlich gerechtfertigt, manches davon bringt Schlüssel-Releases einer kleinen Businessriege in Position. Jetzt also Delphic.

Die waren bisher auf Kitsuné in Lauerstellung, machen zappeligen Indiepop und tragen viel Kunstanspruch vor sich her. Wenn man sich ihnen mit großen Erwartungen nähert, wird man enttäuscht. Näher betrachtet mischen Delphic aber viele Zwischentöne in einen leicht strapazierten, an den 80ern orientierten Grundsound. Sie sind mit ihrem Debüt ungefähr dort angekommen, wo viele Bloc Party heute gern sehen würden; verpacken Dance Music in Songstrukturen ungefähr so, wie es New Order schon vorgetanzt haben. Da purzeln melancholische Gitarrenfraktale durchs Bild, da regieren flatternde Synths und schnelle Drum-Maschinen. Das Herzstück des Albums ist der instrumentale Titelsong „Acolyte“ mit fast neun Minuten, der irgendwo zwischen Ambient, avanciertem Pop und Trance Haken schlägt. Es sind zweifellos zehn solide Songs, die Delphic vorgelegt hat, aber solide Songs schreiben ganz schön viele Bands aus Nordengland.

Außergewöhnlich macht die Band ihre unironische Ernsthaftigkeit. Sie reden gerne über den Einfluss von Rothko, Kafka und Joyce auf ihre Musik, finden selbst die deutlichen Anleihen in ihrem Video „Counterpoint“ beim filmischen Werk von Andrei Tarkowski großartig. Dem /Berliner Tagesspiegel/ fallen dabei zu Recht Parallelen zur überraschenden Gipfeltour von The XX oder auch zu den Kollegen aus Manchester, Hurts, auf: Es darf auch ganz oben wieder gepflogen existenzialistisch zugehen. Schrullige Verweigerung und Hysterie gehören erst einmal ins vergangene Jahrzehnt. Delphic signalisieren insofern einen Aufbruch. Auslösen werden sie ihn aber nicht.

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