Klippenspringen vom Mount Kimbie: Nach einem Überalbum sind Mount Kimbie von der Klippe der Redundanzgefahr hinunter ins Wasser gehüpft und haben sich aus der Gischt neu selbst erfunden.
Mit Dubstep und seinen Post- und Post-Post-Modulationen hat Mount Kimbies neue Platte nicht mehr viel zu tun. Getrost darf man also Dubstep hassen und trotzdem Mount Kimbie hören. An deren Overachiever-Hymne "Made to Stray" kommt in diesem Sommer keiner vorbei – vielleicht war das einer der Gründe, warum die Briten Dominic Maker und Kai Campos den Song schon vor Albumveröffentlichung gratis im Netz verteilt haben. Ein astreiner Hit – wer ihm das absprechen will, sollte sich gute Argumente zurechtlegen, um nicht von seiner Hymnenhaftigkeit erschlagen zu werden. Der Song ist ein einziges großes Crescendo, baut unaufhaltsam auf bis die Vocals einkicken – die, wie leider öfters auf "Cold Spring Fault Less Youth" – viel zu sparsam eingesetzt sind. Da war im Vorfeld noch geschrieben worden: Auf der neuen Scheibe würden sie erstmals beide singen. Sie singen, aber das Songwriting von Mount Kimbie auf dem zweiten Longplayer nach “Crooks and Lovers” (2009) sieht den Gesang doch nur als ebenbürtig zu den anderen Instrumenten und Sounds, von denen diesmal viele akustisch sind.
Mount Kimbie machen auf dem neuen Album alles richtig, vor allem machen sie: Songs. Kleine Popmomente schaffen große Herz-Stillstände. Diesmal werden Clicks und Cuts viel sparsamer eingesetzt. Zwischen Folkorgeln und Ambientwälder prescht auf zwei Songs auch ein Gastsänger: King Krule (Jahrgang 1994!!!), Rotzbub aus United Kingdom, ein Freund des House of Kimbie, der Ende letzten Jahres in der Sounds of 2013-Hitliste der BBC als das nächste große Ding aufgekocht wurde. Leider köcheln die zwei Songs feat. Krule im Verhältnis zum sehr starken Rest eher auf Sparflamme.
Ein Song überrascht: "Sullen Ground", ein klarer Underdog auf der Platte. Anders als die versöhnliche Grundstimmung des Albums präsentiert sich hier eine erfreulich depressive, schleppende Laidback-Nummer mit dem Gewicht der Welt auf ihren Schultern. Synthflächen werden mit dem Blasebalg aufpumpt und gleich wieder mit dem Nagel zerstochen.
Mount Kimbie überzeugen mit einem nonlinearen Album. "Cold Spring Fault Less Youth" ist ein Manifest dafür, dass sie 2013 noch wichtig sind für jene Musik formerly known as Dubstep.