Der Mann, der starb wie ein Lachs

Sittenkrimi aus der schwedischen Provinz

/„Niemi spinnt“, titelte eine schwedische Tageszeitung in ihrer Rezension. Aber genau das macht den Autor von „Populärmusik aus Vittula“ aus: Er ist einfach ein unglaublich phantasievoller und reichlich versponnener Kopf, dessen eigensinnigem Stil man sich auch bei seinem zweiten Roman nur schwer entziehen kann.

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Schweden, das ist Abba und Knäckebrot. Schweden, das ist Pippi Langstrumpf und Kurt Wallander. Schweden, das ist ein Land voller rotgetünchter Holzhäuser und Schilder, die vor Elchen warnen. Schweden, das ist jener Flecken Erde, der von sich behauptet, dass hier das Glück zu Hause ist. Doch es gibt offensichtlich auch dunkle Ecken, in denen zu leben nicht so lustig ist, z.B. wenn man zur Volksgruppe einer finnisch sprechenden Minderheit in Nordschweden gehört. Mikael Niemi, Jahrgang 1959, wuchs ebendort auf, nördlich des Polarkreises in der Region Tornedal, wo die Tage und Nächte im Sommer wie im Winter kaum voneinander zu unterscheiden sind und auch schon sein erster Roman „Populärmusik aus Vittula“ (2000) spielte. Es war das spektakulärste Debüt, das Schweden je erlebt hatte: Das Buch stand monatelang auf Platz 1 der Bestsellerliste, verkaufte sich über eine Million Mal, wurde für die Leinwand verfilmt und Busladungen von Touristen wollen seither alle Orte der Handlung besichtigen. Nun ist mit „Der Mann, der starb wie ein Lachs“ sein sein zweiter Roman erschienen, in dem sich der Autor wiederum den kuriosen Widrigkeiten seines Heimatorts an der Grenze zu Finnland widmet.

Als Krimi angepriesen, ist das Buch weit mehr als das: Die eigentliche Handlung – im Tornedal wird ein alter Mann auf brutale Weise mit einer Fischgabel aufgeschlitzt, eine junge Stockholmer Kommissarin wird mit der Aufklärung des mysteriösen Mords beauftragt und fühlt sich ausgerechnet zu dem kauzigen Eigenbrötler Esaias hingezogen, der als dringend tatverdächtig gilt – ist ein Sittengemälde schwedischer Gegensätze, eingezwängt zwischen der kühl-kalkulierten, pragmatischen Modernität von Stockholm und dem Starrsinn und Aberglauben einer weltfremden Siedlung im Wodkagürtel. In seiner farbigen, kraftstrotzenden Sprache lässt der Autor spüren, wie schwer es ist, seinen Platz zu finden, wenn lebbare Alternativen durch soziale und seit ewigen Zeiten wirkenden Hürden verstellt sind. Dies ist der Subtext, der dafür sorgt, dass selbst die grellsten Szenen des Romans nie die Bodenhaftung verlieren. Darüber knüpft Niemi wie mit unsichtbaren Angelschnüren ein dichtes Netz von grotesken Motiven und traumartigen Szenen, bei denen man bis zum Schluss keinen Schimmer hat, wer der Mörder eigentlich ist.

Das alles tut er in einem eigensinnigen Stil, virtuos lakonisch, brillant komisch und mit jener fatalistischen Melancholie, die ihn ebenso wie seine finnischen Kollegen Ari Kaurismäki und Arto Paasilinna über jede Genre-Schubladisierung hinaushebt. Intelligent-bitterer Spaß von einem begnadeten Erzähler.

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