Der Sänger von Miike Snow komponiert auf den Spuren von Scott Walker – dem ganzen frühen – und Elvis Costello, denen symphonischer Pathos bereits ähnlich gut stand.
Warum Orchester? Warum nur sollte man heute mit einem Orchester arbeiten? Bands erwecken nur allzu leicht den Eindruck, dass man es sich mittlerweile eben leisten kann und nur ein Bisschen von diesem wagnerianischen Klassik-Swag abhaben möchte? Robbie Williams, Metallica, Fanta 4, Udo Lindenberg und so weiter – die Welt ist voll von unnötigen Orchesterversionen. Nun, Andrew Wyatt kann das. Er zeigt, dass er ein Orchester nicht nur als einen verdammt teuren Klangerzeuger sieht, der ein paar einfache Harmonien auffetten soll, sondern dass die einzelnen Stimmen und die Instrumentengruppen zusammen klingen müssen, damit sie eine echte Philharmonie ergeben. Er kann sie in den Dienst seiner Songs stellen. Manchmal zu sehr.
Songs wie „Harlem Boyzz“ oder „And Septimus“ sind zu simpel gestrickt und bleiben zweidimensional. Achtelnote um Achtelnote fehlen die Kontrapunkte, die Klangfarben bleiben zu vorhersehbar. Aber hey, es ist Pop – Pop wie direkt aus der Zeit der großen Songwriter an der Tin Pan Alley, Pop mit Melodien, die man auf der Straße summen können soll. Andrew Wyatt lässt auch die Gelegenheit nicht aus auf „She’s Changed“ zu zeigen, dass er es auch eine Extraportion experimenteller machen könnte. Wenn Andrew Wyatt nur drei Schritte weitergehen würde, könnte man bald epochalen unzeitgemäßen Pop von ihm zu hören bekommen – immerhin ist „Descender“ sein Solodebüt –, oder einen außergewöhnlichen Soundtrack, oder eine weltweit tourende Kammeroper. Auf „Descender“ fehlen noch die Songs aus dem 21. Jahrhundert, aber auch eine detailreiche Partitur. Dabei Andrew Wyatt könnte mit etwas Zeit zweifelsohne beides.
