Fast Genial

Das Leben ist ein Roulettespiel. Francis setzt alles und verliert meistens. Mit einer depressiven Mutter und ohne Vater in einem Trailerpark aufgewachsen, wurschtelt er sich durchs Leben.

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Während Francis selbst Geld für sich und seine Mutter verdienen muss, schmieden seine wohlbehüteten Schulfreunde fröhlich Pläne für eine goldene Zukunft. Als Francis’ Mutter versucht sich umzubringen, erfährt dieser die Wahrheit über seine Herkunft. Die damit verwickelte Retortenthematik bringt einen Hauch von »Blade Runner«-mäßiger Science-Fiction ins Spiel. Sein plötzliches Dasein als Retortenkind wirft Francis zwar ordentlich aus der Bahn, gleichzeitig könnte dies jedoch die Chance seines Lebens sein. Zusammen mit seinem besten Freund Groover, einem klassischen Informatiknerd inklusive geschmackloser Spruch-T-Shirts, und der verführerischen, psychisch labilen Anne-May begibt er sich auf die Suche. Was anfangs an »Fänger im Roggen« erinnert, entwickelt sich zu einem Roadtrip quer durch die USA und endet ähnlich wie Nick Hornby’s »Slam«. Das haben diese Teenie-Schwangerschaftsgeschichten ja so an sich: Filme wie »Juno« oder »Precious« zählen zu dem traurigen Genre Feel-Good-Movie. Das Pendant in Buchform dazu findet man in Hornby’s »Slam« oder eben auch ansatzweise im dritten Roman von Benedict Wells. In diesem Fall könnte man von »Wohlfühlliteratur« sprechen, was nichts anderes bedeutet als eine aufgezuckerte Milieustudie, die bezwecken soll, dass sich der Leser gut fühlt. Könnte man, wohlgemerkt. Denn »Fast genial« ist auch ein spannender Hochseilakt. Hier kommen trotz der Misere wenig gute Gefühle auf. Der junge Wells hat es ein modernes Sozialdrama für ein junges Publikum geschaffen und die Hürde, die reine Schwarzmalerei trivial zu bringen, umspielt. Um nicht den Anschein zu erwecken, Wohlfühlliteratur wäre etwas Schlechtes: das einzige, was man in dem Subgenre falsch machen kann, ist die Aussparung Tiefgang und Humor. Und das wäre so ziemlich das Gegenteil zu »Fast Genial«.

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