Give You The Ghost

New Age of Autotune – Die Songs von Poliça sind eine klare, bittere Medizin. Dabei bedeuten sie eine neue Chance.

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Kanye West hat nach dem Tod seiner Mutter ein Album gemacht, auf dem er seine Stimme vollständig in Technik einkleidete. Die Schmerzen mussten abgefedert, übersetzt und überschrieben werden. Sein „808s & Heartbreak“ ließ vor vier Jahren den Einsatz von „Autotune“ explodieren, so sehr, dass Jay-Z höchstpersönlich es killen wollte (Mit Kanye hat er später trotzdem ein Album aufgenommen, das den megalomanischen Rock der 70er ganz goldig in Hip Hop verwandelte). Auch Poliça schleift ihre Emotionen durch den Rechner. Der digitale Effekt schafft Affekt, er schafft Distanz, und er schmückt, erweitert, transformiert. Neu ist das nicht. Missy Elliot hat ihre Stimme damit schon entsexualisiert, Marsimoto wird zum bekifften Joker, Grimes zur Elektroelfe. Aber so unaufgeregt und selbstverständlich wie Poliça hat bisher niemand mit dem Geist in der Maschine gesprochen, gesungen.

Auf „Give You The Ghost“ ist die Stimme eingebettet in relativ traditionelle Songs, Bass, Schlagzeug, viel Percussion, etwas Violine, einige Synths. Dadurch bricht sich das Licht nicht so stark im Stimmeffekt, nur die Person, die da spricht, entrückt sich, entmenschlicht sich dabei aber nicht. Die Musik von Poliça ist zwar artifiziell, wirkt aber nicht sonderlich gekünstelt, sondern reduziert und entschlackt, sie riecht nach klarer Morgenluft, wie sie das Getier und das Liebespaar im Video zu „Amongster“ riecht. Wer dazu New Age sagt, hat recht, aber eventuell nicht verstanden, dass es dabei irgendwann einmal darum ging, Inspiration für einen anderes Leben zu tanken, weil die Gegenwart nicht gut genug ist – bevor mit New Age dann die magischen Steine, die Chakra-Ratgeber und all das kam. Poliça schafft eine leuchtende Andersweltlichkeit mit nur wenigen Kunstgriffen, setzt Echos, trockene Bässe und Geklöppel punktgenau ein und spickt sie mit bitteren Texten.

Obwohl das nicht sehr Hype-fähig klingt, ist genau der ausgebrochen, spätestens mit einer hymnischen Erwähnung von Bon Iver, mit dem Poliça über das Kollektiv Gayngs verbunden ist. James Blake, Coco Rosie, Everything But The Girl, Zola Jesus, The XX – all das soll jetzt plötzlich in diese Platte passen. Eh. Dabei würde ein umwerfender Soundtrack für bessere Zeiten schon reichen.

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