Graublau mit Pastell-Tupfern, Pop mit klassischen Arrangements, Sex mit Depression, Alkohol mit Sucht – Owen Pallett brauchte dafür einfach mal zwei Jahre länger als geplant.
Was macht der langjährige Arcade Fire-Arrangeur, Zach Condon Spezl und Computerspielfan Owen Pallett eigentlich, wenn er nicht gerade mit Hollywood Visionären zusammenarbeitet und Interessierten erklärt was hinter großen Pophits wie „Teenage Dream“ oder „Get Lucky“ steckt? Naja. Er verschiebt seinen Album-Release nach hinten. Bereits im Dezember 2012 kündigte Pallett „In Conflict“ über seinen Twitter-Account an. Seitdem wurde das Album in Island aufgenommen, wieder verworfen und in Montreal, Live-To-Tape, neu eingespielt. Anscheinend gibt der klassisch ausgebildete Violinist nicht viel auf Vorgaben seines Labels Domino.
Zum einen mag die Verzögerung sicherlich seinem Perfektionismus geschuldet sein, zum anderen beweist es wohl auch einfach seinen Mut Fehler zu machen und sich diese einzugestehen. Pallett, dessen Musik eigenen Aussagen zufolge von seiner Sexualität beeinflusst wird, hat sich letztendlich nun doch für einen Termin im Mai entschieden.
Vor dem Hintergrund der vorherrschenden Stimmung in „In Conflict“ eigentlich ein unpassender Zeitpunkt, schlägt Pallett doch mit seinem Songwriting einen gänzlich anderen Weg als bisher ein: Anstatt sich in Phantasmen fiktionaler Spiele zu verlieren oder befremdliche Farmer-Dystopien zu kreieren, arbeitet der Kanadier nun deutlich mehr Erlebtes und Erfahrenes in seine Texte ein. So handelt der Song „Riverbed“ von den Folgen Alkohols und der für Pallett scheinbaren Unausweichlichkeit, das Trinken einfach irgendwann sein zu lassen.
Gesellschaftlichen Tabuthemen wie Depression und Suchtverhalten werden auf dem Album mehr als ausreichend Platz eingeräumt – sie werden als Teil des Menschseins verstanden und somit letztlich in die Akzeptanz gehebelt. Rahmen dieser Selbstläuterung stellen die gewohnt genau instrumentalisierten Streicher-, Bläser- und Gitarren-Arrangements dar, zu denen Brian Eno die Synthieflächen beisteuert. Disharmonien („Soldiers Rock“) und etwas enervierende Präzision („Infernal Fantasy“) suchen im Wechsel den größtmöglichen Suspensemoment, finden jedoch hauptsächlich verstörende Beklemmung.
Synästhetiker würden das Album wohl vorwiegend im Graublau, ab und an zersetzt von pastellfarbenen Tupfen („The Secret Seven“), verankern. Sicherlich – Owen Pallett macht immer noch Klassik für die Nische. Mit „In Conflict“ lässt er jedoch den Dunstschleier seiner Zwanziger endgültig hinter sich und führt sein Herz beklemmend nah ans Messer.