Kill Your Friends

London,1997: Die Musikindustrie schwebt im Dauerhoch. Das Internet (und die damit verbundenen Raubkopiermöglichkeiten) sind erst eine vage technische Vorahnung, die CD ein Medium mit rekordverdächtigen Verkaufszahlen bei minimalen Fertigungskosten. Die Plattenfirmen scheffeln das Geld in solchen Mengen, dass es nicht einmal ihren unfähigsten Angestellten gelingt, es vollständig aus dem Fenster zu werfen. Der schottische Autor […]

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London,1997: Die Musikindustrie schwebt im Dauerhoch. Das Internet (und die damit verbundenen Raubkopiermöglichkeiten) sind erst eine vage technische Vorahnung, die CD ein Medium mit rekordverdächtigen Verkaufszahlen bei minimalen Fertigungskosten. Die Plattenfirmen scheffeln das Geld in solchen Mengen, dass es nicht einmal ihren unfähigsten Angestellten gelingt, es vollständig aus dem Fenster zu werfen.

Der schottische Autor John Niven, der in den 90ern selbst als A&R(artist and repertoire)-Manager mit der Entdeckung von Travis Karriere gemacht hat, stellt mit Steven Stelfox einen ebenso einflussreichen wie hoffnungslos zynischen Vertreter der Musikindustrie ins Zentrum seines literarischen Splatterschockers. A&R – das heißt für Stelfox: ein unbegrenztes Spesenkonto, rund um die Welt fliegen auf einer Diät aus Wodka, Sex und Kokain, beim Ausbooten der Konkurrenz (inklusive des eigenen Vorgesetzten) sprichwörtlich über Leichen gehen und einen Haufen Geld damit verdienen. „Jemand, der seinen Lebensunterhalt damit bestreitet, den Geschmack von Millionen geschmacklosen Schwachköpfen zu antizipieren und zu modellieren, muss sich im Klaren darüber sein, dass seine Gefühle so universell sind, dass die Dinge, die er denkt und fühlt, von Millionen von anderen Menschen gedacht und gefühlt werden." Stelfox denkt und fühlt: Sex, Sex, Sex, Drogen, Drogen, Drogen.

Dafür hat Niven einen galoppierenden Schreibstil gefunden, der einen die immer abstruseren menschlichen Abgünde der dennoch immer sehr real bleibenden Hauptfigur mit immer größerer Lust miterleben lässt. In seiner kompromisslosen Amoralität ist Stelfox ein Wiedergänger von Bret Easton Ellis‘ „American Psycho“, auch er wird zum Mörder, kommt aber ungestraft davon. In puncto Drastik und Drogen ist Nivens sprachgewaltige Abrechnung mit der Musikbranche ein direkter Nachfahre von Hunter S. Thompsons „Fear And Loathing in Las Vegas", in punkto Sex von Irvine Welshs „Porno". Der Popjournalist Stephan Glietsch (Intro, Spex) hat das Ganze treffsicher in ein abgebrühtes Deutsch übersetzt. Ein atemloses Lesevergnügen ist garantiert!

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