Lunarda

Methamorphosen einer Muse
Gemeinsame Schreibprojekte können auch gelingen. Das Autorenduo Mahlknecht und Rosendorfer führen es vor, wenn sie ihre junge Protagonistin mit prosaischen Pinselstrichen auf Selbstfindungstrip schicken.

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Über die ewige Selbstfindung, gebündelt in der zerrissenen Zeit des typischen Studentenlebens, schreiben zwei Autoren im Teamwork. Sinnierte Paragraphen, wie sie tatsächlich dem Kopf einer 23-Jährigen entschwirren könnten, wechseln sich mit lebensnahen Situationen und ungewöhnlichen Szenen ab. Paula ist auf der Suche nach sich selbst. Sie gibt sich deshalb einen anderen Namen und fühlt sich, als würde sie in andere Rollen schlüpfen, wenn sie sich in unterschiedlichen Lebenslagen anders gibt. Der Situation anpasst. Auf dem Weg festzustellen, dass es einfach mehrere Facetten ihrer Person gibt, lebt sie ihre lesbische Seite aus und entwickelt sich im Laufe des Romans zum Objekt männlicher Begierde, das sich zunehmend selbstbewusst dem bewundernden Blick eines alternden Künstlers darbietet. Die Nacktheit als Thema wird einerseits vom Licht der Obszönität, andererseits im Schein der Erotik beleuchtet. Die ungewohnte Model-Künstler-Situation hilft der Protagonistin auf der Suche nach sich selbst. Sie wünscht sich, die Stellung der einzigartigen Muse einzunehmen und schätzt es, endlich wie eine richtige Dame behandelt zu werden, wenn der Maler Damaskus ihr höflich in den Mantel hilft, sie zur Tür begleitet und ihr galant den Arm reicht, wenn sie auf ihren High-Heels das Gleichgewicht zu verlieren droht. Das unsichere nette Mädel Paula May wird über ihre Erfahrung als Lunarda – wie Damaskus sein schönes Aktmodell und Objekt der Inspiration nennt – zu Ilse Paula Mayerhofer, als die sie geboren wurde. Metamorphosenhaft findet die Darstellerin also über ihre Zeit mit dem Maler zu sich selbst zurück. Durch den Tagebuchstil fehlt es an jeglicher Distanz zum Leser, der sich gänzlich mit Paulas Innenperspektive identifizieren soll. Sie allein verfügt als Ich-Erzählerin über die Handlung, erst gegen Ende kommt Damaskus mit seinen letzten Aufzeichnungen zu Wort.

Herbert Rosendorfer ist als Autor (nicht nur) humoristischer Bücher bekannt. Was die wenigsten wissen: Rosendorfer ist auch ein leidenschaftlicher Maler. Als Branchenfreund von Selma Mahlknecht versuchte er diese immer wieder zu überreden, für ihn Modell zu stehen, doch Selma konnte sich letztlich nie dazu überwinden. Im Laufe der Zeit wurde dies zum Running Gag und in weiterer Folge zum gemeinsamen Schreibprojekt. Der Monolog des Modells, geschrieben von Mahlknecht, überwiegt im Roman, fruchtet aber aus einer Fülle hilfreicher Informationen über Rosendorfers Erlebnisse mit Modellen und sein Malerdasein. Dass diese zwei Perspektiven zusammenfließen, macht die Geschichte gleichsam intim und homogen. Um den Textfluss des Paula-Teils nicht zu unterbrechen, wird er aus der Sicht des Malers am Ende des Buches geschildert. Diese Darstellungsweise erweitert das Spannungsfeld gegen Ende noch einmal.

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