Die kosmische Komödie

Gott – ein rumpelnder Statist

Begierdengetrieben steuern Manfred Rumpls gehetzte Mittelschichtkosmonauten wie in einem irren Materientanz auf den Showdown der Schuldentladung zu.

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Nach Rumpls unter Pseudonym veröffentlichtem Krimi sorgt der Beginn seines neuen, innert anderthalb heißer Augusttage der Jetztzeit spielenden Romans für eine ähnliche Erwartung: Ein wegen guter Führung aus langer Grazer Gefängnishaft entlassener Mann empfindet den Gewinn der Freiheit erst, als er einen Buskontrolleur niederschlägt. Man spürt sein Sinnen nach Rache, doch erst führt der Autor ihn nach Wien – und in wechselnden Perspektiven den Rest seiner Diesseitsbesucher ein: Hier betrügt Call Center-Consulter Bert seine Frau Rosa (und Sohn Boris) mit der AMS-Betreuerin Silvia, die vormals auch Affären mit Nobelkoch Josef und dem Haftentlassenen pflegte. Die sexuellen wie intellektuellen Begierden des sein Astrophysikstudium verbummelnden News-Flash-Reporters Franz, dessen Beruf ihn ermattet, flackern nach dem Interview mit einer gefeierten Kabarettistin auf. Nachdem im ersten Drittel die Figurenbezüge hergestellt und deren Positionen getauscht sind, steuert Rumpl, traumwandlerisch sicher im Spannungsaufbau, auf den Showdown zwischen dem durch ein Entführungslösegeld verbundenen Trio (der Ex-Häftling, Silvia und Josef) zu.

Mühelos wie kaum einem anderen österreichischen Schriftsteller gelingt Manfred Rumpl der Wechsel zwischen makrosozialen Problemaufrissen und mikroskopisch verästelten Individualdilemmata. Scharfkantige, auch kräftige Sätze, die mit der Schuldladung der Protagonisten und Andeutungen auf deren zitternde Hoffnung in die Folgekapitel ausschwingen, sorgen für eine Konzentration auf den heutigen Irrsinn unseres medial vermittelten Kosmos: ein Asylwerber, der sich am AMS mit Benzin anzündet; ein hilfloser Normbürger, der eine Prostituierte zerstückelt; das nackte Mädchen, das auf einem Brückenträger „Raindrops keep fallin’ on my head“ summend balanciert und fällt.

Angst vor Vergangenheit und Zukunft zeichnet sich als Leitmotiv dieser fragilen Mittelschichtkosmonauten ab. Tölpelhaft dem inneren Läuterungsberg hin gezürnte Aufbäumungen, gar Ausbruchsversuche via sexuelle Abenteuer, schnelles Geld oder Zen-Buddhismus währen nie lange. Der „Schleier von Erleuchtung und Gnade“, so deutet es der augenzwinkernde Seelenanatom Rumpl in seinem Lustspiel menschlicher Defekte und Schwächen, fällt über uns mediokre Asteroiden, wenn überhaupt, nur in einem einzigen Gefühl – der innigen Liebe.

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