Master Of My Make-Believe

Santigold klingt nicht mehr so einzigartig. Eine fantastische Single und der Shuffle-Button helfen darüber locker hinweg.

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»Disparate Youth« ist der Höhepunkt … aber was für einer. Ja, da steckt etwas von »Plans For Nigel« von XTC drin, anderswo Gwen Stefani und M.I.A. überhaupt. Wenn man aber gerade den zweiten Klassiker geschrieben hat, kann der Rest eines Albums schon einmal an den Erwartungen scheitern. Immerhin ist die Liste der Kollaborateure lang, Reaktionen gedämpft. Dabei liegt der eigentliche Fehler des zweiten Albums von Santigold in der Reihung der Songs. Das dramatische, martialische »God From The Machine« passt mit seinen Schicksalschören und Blechtrommeln besser vor ein Finale als in den ersten Akt. »The Keepers« wäre als mühelose, äußerst gut gelaunte Untergangshymne eine zwingende Single. Ist sie nicht. Und mit »Look At These Hoes« und »Big Mouth« sind zwei Groove-Glanzstücke ganz am Ende des Albums versteckt. Zudem verliert Santigold zur Mitte des Albums mit drei Songs auf mittlerem Tempo an Schärfe und Spannung. Dabei hatte doch auch das Debüt-Album schon einige Zwischenspiele, an die man sich nicht mehr erinnert. Auf dem Nachfolger fallen sie viel stärker auf. Die Lösung heißt Shuffle. Das Wunderwerk digitaler Play-Technik bringt Zwischentöne und Klangspektrum von Santigold immer neu, immer anders zum Schwingen.

Genau dieses Spektrum war damals, 2008, ziemlich aufregend. Gemeinsam mit M.I.A. und Ebony Bones mischte sie die Soundbanken von Dancehall, Indie, Moombahton und Electro durcheinander. Heute ist dieser kreolische Musikmix ganz oben im Pop angekommen, bei Beyoncé und Rihanna. Dort wird er auch bleiben; aber der Novelty-Effekt ist dahin. Was Santigold weiterhin besonders macht, ist ihre verschleppt-coole Art zu singen – Call- and-Response mit sich selbst. Und nur wenige andere trauen sich gesellschaftspolitische Statements mitten im Scheinwerferlicht zu, versuchen die diffusen Gefühle eines »Wir« in Worte zu bringen. Und dann ist da eben die Single »Disparate Youth«: eine späte, heimliche Hymne für Occupy, ein selbstbewusster Schlachtruf für eine neue Zeit. Genau, was wir brauchen.

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