Pomegranates: Persian Pop, Funk, Folk and Psych of the 60s and 70s

Grooves für Schah und Ayatollah

Mit den Petrodollars kam die E-Gitarre: „Pomegranates“ reflektiert iranische Popmusik, die im Spannungsfeld von Revolutionen, Exil und Diaspora entstanden ist.

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Das britische Imprint „Finders Keepers“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, Musik aus aller Herren Länder und Genre-Schubladen zu Tage zu fördern. Ob dabei Funk-Rock aus Ungarn, tschechische Vampirfilm-Soundtracks oder Schnulzen made in Lollywood (d. h. aus Pakistan) den Weg in die Plattenpresse finden, hängt wohl ganz vom Tagesgeschmack der Labelmacher ab. Mit „Pomegranates“ wird die Popmusik aus Persien, genauer gesagt dem Iran, dokumentiert. Dabei wurden obskure Kleinode entstaubt, die auf einem schmalen Grat zwischen Trash und Kult wandern.

Die 60er und 70er Jahre waren auch im Iran Dekaden des Tumults und der Unruhe, angefixt von westlicher Popkultur und amerikanischem Kapitalismus. Selbiger brachte zwar Devisen ins Land, gleichzeitig stieg jedoch die Ungleichheit in der Bevölkerung. Trotzdem keimte in dieser Zeit iranische Popmusik auf. Mit Hilfe von Radio Tehran und einem Dutzend kleiner Plattenlabels gelang einer großen Zahl von Musikern der nationale Durchbruch. Bekanntestes Beispiel hierfür ist „Googoosh“, die „persische Madonna“, die mit ihrer Kleidung zur Ikone im sonst reaktionär-islamischen Iran wurde. Auf „Chehel-o-panj Dorehs“, also Vinylsingles, die umgerechnet 15 Cent kosteten, verbreitete sich fortan iranische Popmusik, die von afrikanischen, afghanischen und – natürlich – amerikanischen Rhythmen eingefärbt war. Ferner treffen westliche Bläser auf persische Saiteninstrumente, was dann entweder nach amerikanischer Actionserie („Talagh“) oder James Brownscher Hüftgymnastik („Helelyos“) klingt. Bis zur Revolution 1979 zeugte dieser Schmelztiegel aus okzidentalen und orientalischen Kolorit Stücke von sexuellen Träumereien, naivem Folk und manchmal auch von subtilem politischen Protest. Als die fundamentalistische Theokratie jedoch Fuß fasste, mussten die meisten Bars, Studios und Kinos zusperren und viele Musiker flüchteten wehmütig ins Exil. Diese Sehnsucht spiegelt sich in Googoosh „Gol Bi Goldoon“ wieder: eine schrammende Akustikgitarre, die auf verträumtes Singsang widerhallt.„Pomegranates“ vereinigt Schätze der iranischen Musik, die unweigerlich mit der Geschichte des Landes verbunden sind. Nicht umsonst ist die Compilation nach einem Symbol für schöpferische Kreativität benannt: dem Granatapfel.

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