Pop Ambient 2009

Essenzielle Klangkultur
Die jüngste (und verspätete) Ausgabe der „Pop Ambient“-Serie gehört einmal mehr zu den internationalen Höhepunkten fortgeschrittener Soundmechanik.

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Wenn man nur einmal im Jahr Geld und Zeit für avancierte, weitgehend beatlose und elektronisch verstärkte Musik ausgeben will, darf es gut und gerne der jeweils aktuelle Release von „Pop Ambient“ sein. Seit 2001 kompiliert Wolfgang Voigt (als Studio 1 gleich noch einmal prominent in diesem Heftteil vertreten) die Reihe. Aus einem kleinen Bottich von männlichen, weißen Künstlern werden jedes Jahr einige Tracks vom alten Gevatter des deutschen Techno handverlesen. Eigentlich war Ambient schon seit der Gründung von Kompakt im Jahr 1993 das Spielbein des Labels. Im Lauf der Zeit wurde der Name „Kompakt“ auf die verschiedenen Wellen und Varianten von reduziertem Techno beschränkt (besonders penetrant in den letzten beiden Jahren mit der Beschwörungsformel „Minimal“). Dass das Label auch feingeistiger und feinteiliger kann, macht die leicht verspätete Kompilation „Pop Ambient 2009“ klar.

Es ist erstaunlich, wie sehr aus einem Guss die zwölf Tracks zueinander und im Verhältnis zum Rest der Serie klingen. Gut, Sylvain Chaveau, Klimek und auch Wolfgang Voigt sind mehrfach vertreten. Dafür sind regelmäßige Gäste wie Markus Guenter und Ulf Lohmann einstweilen abgetreten. Als ein verbindendes Element erweisen sich anfänglich Samples von klassischen Instrumenten – Streicher, Bläser – und ihre elektronisch verfremdeten Entsprechungen. Gleich im ersten Track eröffnen Klimeks geloopte Hörner den Sound-Kulturraum. Bei Nummer Zwei tröpfeln Pianospritzer über elegische Streicher und Voigts Alter Ego Mint wagt sich über den alternative Zwölftöner Hindemith. Was wie die Arbeit am Aufstieg in eine zeitgemäße Hochkultur beginnt, führt anschließend doch noch in elektronisch dominierte Gefilde. Bei Voigt ist dieses Verhältnis bekanntermaßen nicht unbelastet. Zum Release des kürzlich wieder veröffentlichten Gas-Projekts rümpften damals nicht wenige Kommentatoren ob der lang gezogenen Richard Wagner-Samples zur mächtigen Bassdrum die Nase und vermuteten unterschwelligen Nationalismus. Dieser Verdacht kann bei den internationalen Gästen hier nicht aufkommen. Dass die Serie in das Bild von deutscher Romantik und technokratischer Kulturnation passt, macht sie leichter dechiffrierbar und dürfte für das Aufmerksamkeitspensum zumindest nicht schaden. Dennoch ist „Pop Ambient 2009“ vor allem großartige, wortlose Musik, die auf eine anzügliche Art zwischen den Polen instrumentale Gebrauchsmusik und vielschichtige Soundarchitektur schillernde Farbschlieren wirft.

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