Ritual

Auf der sicheren Seite
Mit »Ritual« etablieren sich White Lies nun endgültig als fester Bestandteil der britischen Rockszene. Zwar fehlt es bei Sex, Drugs and Rock’n’Roll noch an Glaubwürdigkeit, ansonsten ist alles beim Alten.

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Mit ihrem Erstlingswerk »To Lose My Life« ließen White Lies 2009 all jene Kritiker aufhorchen, die das Ende von New Wave bis dahin für besiegelt gehalten hatten. Schnell wurde das Londoner Trio zu den Erben von Joy Division deklariert: ein klarer Synthiesound, eine gewaltvolle Mischung aus treibenden Schlagzeug und dumpfen Bass, und Harry McVeighs markante Stimme, die Einblicke in die Untiefen menschlicher Existenz gewähren sollte. Nun melden sich White Lies mit ihrer neuen Platte »Ritual« zurück. Wer auch hier etwas Bahnbrechendes sucht, wird dieses Mal nicht fündig werden. Ohne Zweifel, die Band hat ein Händchen für eingängige Popmelodien, die sofort ins Ohr und in die Beine gehen und ein Garant für ausverkaufte Hallen sind. Ihr Sound ist vielleicht noch orchestraler geworden, doch textlich dominieren weiterhin jene Themen (Liebe, Sex, Tod, Einsamkeit), bei denen sich manch fürsorglicher Zuhörer um das Seelenwohl der stets in schwarz gekleideten Jungs eigentlich Sorgen machen müsste.

Doch sind es gerade die Texte, die den größten Schwachpunkt darstellen: aufgeblasene, mit religiösen Metaphern verzierte, Wortgebilde, denen es an Tiefgründigkeit und Kreativität mangelt. Jedoch schafft Veighs stets leidende Stimme, die in »The Power And The Glory« zu einem Chorgesang anschwillt, eine emotional mitreißende Atmosphäre, die jene lyrischen Durchhänger kompensiert. So hinterlässt »Come Down«, das zu dem Schluss kommt, »I’ll never be good enough/ for you or for me«, den Hörer in einer bedrückenden Stimmung der Hoffnungslosigkeit. So hätte »Ritual« mehr Mut zum Experimentieren gut getan. Nur für kurze Momente wagen sich White Lies in die dunklen Gefilde des Industrials, um dann in altbewährten Schienen weiterzufahren. Dem Vergleich mit ihrem großen Vorbild Ian Curtis konnten sie somit nicht standhalten, denn dazu hätten sie Risiken eingehen und Grenzen überschreiten müssen. Für ihre Fans dürfte »Ritual« bereits jetzt schon der neue Soundtrack für einsame, trübsinnige Stunden sein. Eine konsequente Fortsetzung ihres Vorgängers, die weder für Überraschungen noch für große Enttäuschungen sorgen wird.

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