The National tauchen wieder ab in die erdrückenden, schwarz-blauen Untiefen der Selbstläuterung und fördern von Morast befreite, schimmernde Songperlen zu Tage.
Blitzschnelle Albumankündigen liegen anscheinend im Trend: Ähnlich wie kürzlich Bowie, so verlautbaren auch die in Brooklyn ansässigen The National am 25. Februar zuerst einige Tourdates via Facebook (836 Likes) um dann direkt im Anschluß daran, in einem als unscheinbar getarnten Nebensatz das wahrscheinlich am sehnlichsten erwartete Album des Jahres anzukündigen: „Oh and also, thought you might like to know that we’ll be putting out a new album in May“ (24.404! Likes).
Kaum eine Sprosse der Erfolgsleiter Rock’n’Roll wurde von The National ausgelassen. Seien es nun Gigs in Brooklyn, bei denen die Zuhörerschaft lediglich aus dem bärtigen Barpersonal bestand, monatelangen Touren durch Europa wo in grindigen Hinterzimmern auf dem Boden geschlafen wurde oder das mehrmalige Ausverkaufen des Bowery Ballrooms in New York. Erst acht Jahre und drei Alben nach Gründung der Band, kündigten die Mitglieder nach und nach ihre gut-bezahlten White-Collar-Day-Jobs. Irgendwann 2007 folgte dann mit dem ungeheuren Konsenswerk „Boxer“, auf das sich alle einigen konnten, sei es das Indie-Trend-Barometer Pitchfork, der Rolling Stone oder Allmusic, der Schlag ins Gesicht aller Ungläubigen.
Unterstrichen wurden die Lobgesänge von den ekstatischen Live-Auftritten, wie beispielsweise 2010 in der Arena Wien, bei dem sich Berninger, nach der obligatorischen Flasche Wein, im etwas zu engen Jackett daran machte, die Bühne abzuklettern und mitsamt Mikrofon durchs Publikum zu marschieren.
Song-Algorithmen mit dunklem Sog
Umso öfter man ihre Songs hört, desto mehr ziehen sie einen hinein, entwickeln einen fortwährenden, dunklen Sog, dem man sich nicht mehr entreißen will, geschweige denn kann. Darum weiß auch Dessner, der in einem Interview erzählt, dass sie kaum Hörer haben, die sich der Band nur wegen diesem einen Song verschreiben. The National ist sozusagen die Antithese, der diametrale Widerspruch, nicht nur zu Format-Radio-Bands, sondern zu einer schnelllebigen, hyperventilierenden Gesellschaft als Gesamtes – zum Beispiel unserer.
Auf "Trouble Will Find Me" selbst findet man Berninger mal in gewohnt erzählerischer Tom-Waits-Manier ("Demons"), mal den melancholischen Bariton an die Grenzen seiner Möglichkeiten drängend. Aber hey: "Hitting the notes is less important than the attempt" gibt er 2010 der New York Times zu verstehen. Die Dessnerschen Gitarrenflächen flankieren die erdige Stimme des Frontmans und heben diese in neue Dimensionen. Wie auch auf den Vorgängeralben versetzen The National wieder zarte Streicher, perfekt akzentuierte Pianoparts und imposante Bläser in ihre kompositorisch höchst anmutenden Songsfresken. Die etwas paradox erscheinenden Äußerungen Dessners, die neuen Songs seien musikalisch sowohl die komplexesten als auch menschlichsten, unmittelbarsten, entfalten sich als absolut berechtigt. Auch Berningers Sprachformeln folgen diesem Schema: Für seine Verhältnisse strotzen die Texte nur so von Direktheit („I Need My Girl“) und Greifbarkeit ("All the LA women / fall asleep while swimming"). The National präsentieren auf "Trouble Will Find Me" 13 pedantisch erarbeitete Song-Algorhythmen, die als Input-Parameter lediglich Aufmerksamkeit fordern um als Ausgabe treue Wegbegleiter bereitzustellen, die helfen sich in der Vielschichtigkeit und Verworrenheit der heutigen Gesellschaft zurecht zu finden. Dass Musik sowas noch kann!
"Trouble Will Find Me" erscheint am 17. Mai via 4AD.