Shaking The Habitual

Das ist nicht länger der süß-bunte Soundtrack für verträumte Indie-Filme, sondern der Soundtrack zu zerfledderten Riot-Grrrl-Fanzines.

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Sieben Jahre sind seit „Silent Shout“ ins Land gezogen. Seit damals hat das Geschwister-Duo Karin Dreijer-Andersson und Olof Dreijer die eisige Indie-Disko hinter sich gelassen und sich einen gesellschaftskritischen Zugang zur Musik auf die Fahnen geschrieben. Schon die Ankündigung ihrer vierten gemeinsamen Scheibe Anfang 2011 war hochpolitisch und ging mit einem Statement zu den Wohnrechten der Roma in Italien einher. Im gesellschaftskritischen Manifest aka Booklet zum neuen Doppelalbum verdammt das Duo die heteronormative, patriarchale Gesellschaftsstruktur. Passend dazu steuerte die feministische Pornofilmerin Marit Östberg den Videoclip zu Track Nr. 2 „Full Of Fire“ mit seinen stolpernd-verzerrten Beats und wimmernden Chören bei. Auf der Band-Homepage erklären The Knife in augenkarzinogen-knallendem Türkis und Pink, dass alles Übel in extremem Reichtum wurzelt.

Statt verspielter clubtauglicher Tracks wie zu „Pass This On“-Zeiten wird die Platte von organischem Dröhnen und kakofonische Störgeräuschen dominiert. Verstrahlte Stücke zwischen kümmerlichen Pop-Resten, Techno und House verfrachtet das schwedische Duo in seinen eigenen Kosmos. Es mag das politischste und unharmonischste Album sein, dabei paradoxerweise aber auch das persönlichste: Die auf den bisherigen Alben so sphärisch tönende Elektro-Engerl-Stimme von Karin Dreijer-Andersson bricht aus, schreit. Björk hätte ihren Spaß. Kaum eine der 18 Nummern auf „Shaking The Habitual“ ist unter sechs Minuten lang. Am ehesten an die Vergangenheit, in der noch Hässlichkeit mit Pop eine tödliche Umarmung einging, schließt wohl „Stay Out Here“ an, das die Vocals von Light Asylum-Frontfrau Shannon Funchess auf zeitlupenhaft heruntergepitchte Watte-Beats bettet.

Eigentlich ist „Shaking The Habitual“ in seiner Länge und den undurchdringlichen Strukturen nur schwer greifbar – aber es fasziniert wie ein gewundener David Lynch-Film, der sich erst nach stundenlangem Grübeln langsam erschließt. Die vierte The Knife-Scheibe ist eine Herausforderung, die man unbedingt knacken will. Mindestens ein großes Fragezeichen wird aber immer bleiben.

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