Wenn einer der IDM-Pioniere nach 20 Jahren sein erstes Soloalbum abliefert, ist es – wie in Thiels Fall – von bestechend zeitloser Schönheit.
Spät erscheint nun das erste Soloalbum von Tom Thiel unter seinem eigenen Namen auf Shitkatapult. Gemeinsam mit Max Loderbauer gründete er Anfang der 90er Jahre das Projekt Sun Electric und tourte mit The Orb um die halbe Welt, als unter dem Begriff Techno noch Ambient, Dub, Electronic und Ansätze des späteren Drum’n’Bass verstanden wurde. Zusammen mit Daniel Meteo veröffentlichten sie unter dem Synonym Bus auf dem Label Scape zwei dublastige Alben, die zu dieser Zeit wegweisend waren. Tom Thiel selbst zählt zu den Pionieren des IDM und braucht punkto Zeitgeist oder Trendbarometer weder sich noch den Zuhörern etwas zu beweisen. Auf seinem nun erscheinenden Album befinden sich elf Stücke, die sich nicht einfach kategorisieren lassen und genügend Freiheiten erhalten haben, damit jedes für sich das Prädikat zeitgenössische, elektronische Musik sich ans Revers heften darf. Thiel zeigt charmant und ohne viel Getöse auf, was er in den letzten 20 Jahren gelernt und erlebt hat. Hier klingt nichts planlos, dem Zufall überlassen oder banal, gleichzeitig auch nicht großkotzig, überheblich und künstlich gekünstelt, sondern direkt und ehrlich. Ob gebrochene Beats oder trocken und gerade gehalten, pulsierende Sinuskurven oder angedubbte Staps – Alles ergibt Sinn bei Tom Thiels erstem Album. Selbst wenn der große Aufschrei der Gazetten ausbleiben wird, handelt es sich hier um ein Stück Musikgeschichte, dass ungefähr so viel Substanz hat, wie die ersten Solo-Longplayer der aktuellen Techno-/House-Szene.