We Invented Paris

Tiefsinnigkeit, die mit Leichtigkeit zum Tanzen verlockt und Geschichten von der Leere des Alltags. We Invented Paris machen im Indierock-Terrain viel richtig.

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Bands, die Städte im Namen einbauen, sind ja sowas von hip. Langsam entfernt man sich dabei vom Favoriten Tokyo (Trouble over Tokyo, Tokio Hotel, Tokyo Sex Destruction, Tokyo Police Club) hin zu europäischen Metropolen: Die Schweden I´m From Barcelona beziehen ihren Namen aus einem Satz in einem Film, Heinz aus Wien ist tatsächlich von dort, Architecture in Helsinki stammen aus Australien und Theophilus London wurde für das echte Leben nicht nur die Musikkarriere so getauft.

Das jüngstes Beispiel der Kategorie Stadt-im-Bandnamen findet sich mit We invented Paris. In wechselnder Besetzung rund um den Schweizer Flavian Grabner zieht die Truppe couchsurfend durch Wohnzimmer, Hausboote, Hinterhöfe und Szenecafés in ganz Europa und schreibt Songs, die eine Stadt der Liebe in Herzen erbaut.

Zu sagen, man hätte Paris erfunden, klingt ja leicht anmaßend, steht aber in Wirklichkeit für die unterschiedliche selektive Wahrnehmung von einer Stadt und die Eindrücke, die jeder für sich individuell wahrnimmt. Assoziationen zu einem Ort können auch entstehen, wenn man noch nie dort gewesen ist. Viele denken bei Paris unweigerlich an die kleinen Straßencafes, Croissants, den Eiffelturm, andere an brennende Banlieus oder auch weniger medial überformte Eindrücke. Die Bandbreite der inspirierenden Sinneseindrücke für das vorliegende Album ist eine große weltumspannende.

We Invented Paris enthüllen in den elektronischeren Hymnen eine ekstatische Seite, die von Placebo geliehen sein könnte, aber weniger vor Selbsthass und Weltschmerz trieft. Schon im nächsten Stück schwillt die Inbrunst dann sanft zu Melancholischem ab, die an raue Wildnis erinnert. Instrumental setzen sich klar Vorbilder wie The Weakerthans durch. So unterschiedlich die musikalische Ausformung auch klingen mag, so haben alle Stücke des Debütalbums eines gemein: Sie untermalen Geschichten von der Leere des Alltags und den kleinen Gesten, die Großes darin bewirken können. Teils in der Sprache der Liebe, und damit sind nicht nur die französischen Passagen in der Hommage an die Stille und den bohemischen Lebenswandel gemeint, handelt die Platte friedliebig und originell unterschiedlichste Varianten von Nächstenliebe und Respekt gegenüber allen Mitmenschen ab. Ein gelindes katholisches Kyrie über Schuld und Sühne vorgebracht von einer Stimme aus einsamer Abgeschiedenheit unterbreitet vieles, was zwischen den Zeilen zu lesen ist. Kaum zu glauben, dass diese Tiefsinnigkeit auch noch mit Leichtigkeit zum Tanzen verlockt.

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