Russische Revolutionshymnen

Russkaja heuern beim "Panzerkreuzer Potemkin" an. Für das Viertelfestival haben sie den Filmgeschichts-Meilenstein von Sergej Eisenstein komplett neu vertont. Im Mail-Interview gesteht Russkajas musikalischer Chef-Panzerkreuzler: ja, sie haben Angst.

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The Gap: Von wem ging die Idee aus, "Panzerkreuzer Potemkin" neu zu vertonen?

Hans-Georg Geutternigg: Die Idee ging von Filmklub Kunstbank Ferrum in Waidhofen an der Ybbs aus. Hannes Mayrhofer vom "Filmzuckerl" – ein Projekt des Vereins Kunstbank Ferrum, hat das Projekt beim niederösterreichischen Viertel-Festival eingereicht und es wurde angenommen.

Seid ihr nicht ein bisschen überprädestiniert dafür?

Ein sicheres JA, auch wenn wir das Wort "überprädestiniert" nicht verstehen.

Arbeitet ihr mit Leitmotiven für die Figuren?

Figuren gibt es ja ganz wenige im Film, der Herr Eisenstein stellt eher das Volk dar, bzw. die einzelnen Figuren werden üblicherweise bald erschossen.

Also geht wenig mit Leitmotiven für die Figuren. Wir haben eher Leitmotive für Szenerien, weil die öfter wiederkehren. z.b Revolutions-Hymne, Schlaflied, Gelungene-Revolutions-Polka, Verfaultes-Fleisch-Requiem und dergleich.

Kennt ihr die Version der Pet Shop Boys?

Ich hab sie mir gekauft!! Und nach einmaligem Reinhören die richtige Musik für meinen Dia-Vortrag über meine erste Tibet-Expedition gefunden, falls ich einmal eine mache.

Oder den Original-Score?

Der ist von Herrn Meisel, einem 12-Töner. Sehr schräg…

Wie geht man mit einer der superberühmtesten Szenen der Filmgeschichte, der Treppen-Szene von Sergej Eisenstein, angemessen um?

Das ist tatsächlich nicht einfach, darum eine richtige Erklärung: Wir untermalen sie mit einer penetranten Geige für das schreiende Baby, kurz phrasierten gegeneinander laufenden harmonisch moll und dominat-verminderten Tonleitern für die Räder des Kinderwagens, die über die Treppe purzeln und einer rollenden Tom-Tom Figur für das umgebende Gefechts-Gedröhne.

Hattet ihr Angst davor?

Nein, wir haben noch immer Angst.

Der Film ist ja ideologisch ziemlich aufgeladen. Wollt ihr dem Kinopublikum mit eurer Arbeit die schönen Seiten des Kommunismus näher bringen?

Deswegen lassen wir möglichst viel Schwulst weg. Beim Erstellen des Scores hab ich mir ständig diese Frage gestellt, weil der Film ja einerseits eine Rechtfertigung für die Gräuel des sowjetischen Systems darstellt und trotzdem meisterhaft gemacht ist. Die Lösung ist eine Kommentierung der Szenen. Das heißt, wir untermalen nicht die Botschaft des Filmes, sondern den Film selber. Klingt schwammig, ist aber so.

Im Film werden zaristischen Offiziere von meuternden Matrosen ins Meer geworfen – Wer sollte denn heute über Bord gehen müssen?

Mord ist Mord, auch wenn es für einen "guten" Zweck ist, bleibt es Mord.

Ich finde es befremdlich, dass im Film zuerst die ganzen Offiziere und der Pfarrer gemeuchelt werden und als dann später Wakulintschuk – der Anführer der Revolte – erschossen wird, heißt es bei seiner Aufbahrung, er sei das erste Opfer der Revolution. Schräg – oder sind die zuvor Verblichenen keine Menschen? Von mir aus soll niemand über Bord gehen! Weil derjenige ist dann tot. (Bitte um Entschuldigung, dass ich diese Frage zu ernst beantwortet habe)

Welchen post-sowjetischen Film würdet ihr gern vertonen, in russischen Filmen wird ja ohnehin nicht geredet, da bleibt genug Platz für Musik … "Russkiy kovcheg", "Vozvrashchenie", "Nochnoi Dozor"?

Eher End-Sowjetisch: Rambo 3, also in Afganistan. Da gehört unbedingt ein lustvollerer Soundtrack dazu. Mein Ideal ist Karel Swobodas Vertonung von Wickie.

Russkaja spielen Panzerkreuzer Potemkin

Uraufführung, Freitag, 01.06.2012, Plenkersaal Waidhofen/Ybbs, 20 Uhr

www.viertelfestival-noe.at

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