Scooter sind vielleicht g'scheiter als du denkst

Wenn heute Scooter in Wien auftreten, sind nicht nur Hits an Board, hinter den riesigen Ohrwürmern stecken manchmal sogar Botschaften.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

Die Pre-, Post- und Zwischendrin-Trance-Ikonen und Götter der Aschenbecherfrisurträger beehren zu Allerheiligen die gar nicht mal so unalterwürdigen Hallen in St. Marx und werden wohl viele ihrer wahnwitzig erfolgreichen Hits zum Besten geben. »Nessaja«, »One (Always Hardcore)«, »The Logical Song«, »Hyper Hyper«, »How Much Is The Fish?« und die einzige Single Nummer 1 in Österreich, »Maria (I Like It Loud)«. Bei uns mag man es halt ein bisschen döpdöp-mäßig.

Jetzt mag man als aufgeklärter und musikalisch hoch- und eingebildeter The Gap-Leser – wir wissen, wer ihr seid – aufschreien und uns jedes journalistische Gewissen absprechen. Aber Scooter sind gar nicht so scheiße und großer Nonsens, wie es dir dein cooler großer Bruder immer einreden wollte. H.P. Baxxter redet selbst gerne von betrunkenen Zufällen, wenn ihm geile Zeilen einfallen. Die Kernzielgruppe mit zu großem Anspruch zu vergraulen, wäre ja doch kontraproduktiv.

Man hat es vielleicht mitbekommen: Bei »How Much Is The Fish?« oder eben »Wie viel kost’ der Fisch?« handelt es sich um einen alten jiddischen Code. Als Fisch wurde der per se unkoschere Schinken bezeichnet. Um den Konsum von leckerem Schinken zu vertuschen, verwendete man eben den Fisch als Code für Schinken. Alte jüdische Witze erzählen heute noch davon. Auch in anderen Songs finden sich kleine Hinweise darauf, dass H.P. ja mal studiert hat. Nicht nur Jus, sondern auch die Szene: »Hyper Hyper« besteht bekanntlich nur aus DJ-Namen der frühen 90er.

Auch bei »Maria (I Like It Loud)« kommt ein Name unter: Bei Skibadee aus der Zeile »Skibadee Skibadanger, I am the rearranger« handelt es sich um einen Londoner D’n’B-Act. Und das »Respect to the man in the ice-cream-van« aus »Weekend!« kann eigentlich nur bedeuten, dass H.P. Baxxter nicht nur ein bisschen studierter Jurist, sondern auch Anwalt der Marginalisierten, ein Ritter des Rechts – ein moderner Chip oder Chap, wenn man so will – ist, der dem Mann im Eiswagen endlich zu dem Ruhm verhilft, den dieser verdient. Viel zu lange behandelten die Kids der amerikanischen Vorstädte der 90er den Eismann zu schlecht. Überliefert ist jedenfalls: Die Vorbilder von H.P. Baxxter, The KLF, ließen bei einer ihrer Aktionen einen Eiscremeverkäufer durch das weihnachtlichte London fahren und Bier an die Obdachlosen verteilen. Aber das sind nur ein paar Beispiele.

Wir haben uns auf gar nicht so unanstrengende Spurensuche durch das neue Machtwerk »The Fifth Chapter« oder – geil numeronym abgekürzt –»T5C« begeben und geschaut, ob man da interpretatorisch was rausholen kann. Und ja: ab und zu schon. Damit irgendwann, in einer schönen Zukunft, nicht mehr Rilkes »Der Panther« Thema der Deutsch-Matura ist, sondern vielleicht »Today (feat. Vassy)«.

Bild(er) © Oliver Rath
Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...