Wie stehen junge Menschen in Österreich zum Thema Verhütung? Wir haben euch einige Facts und Zahlen zum Thema zusammengestellt.
Wer verhütet?
Die Verhütung liegt nach wie vor eher in Frauen- als in Männerhand. 64 % aller Frauen verhüten selbst, unabhängig davon ob der Partner ebenfalls verhütet oder nicht. Bei Männern sind es 54 %. Im Rahmen des Österreichischen Verhütungsreport wurden über 2.000 Frauen und Männer befragt – dies stellt einen repräsentativen Querschnitt der 16-49 jährigen Bevölkerung Österreichs dar.
Wie wird verhütet?
Die Pille ist bei Frauen nach wie vor die beliebteste Methode, gefolgt von der Hormonspirale und der Dreimonatsspritze. Allerdings verzeichnet die Pille einen deutlichen Rückgang ihrer Beliebtheit, was auf die erheblichen Nebenwirkungen und Hormonskepsis der Frauen zurückzuführen ist. Die Beliebtheit von Kondom und Pille ist zum einen auf die schulische sexuelle Aufklärung zurückzuführen, zum anderen auf die Empfehlung behandelnder Ärzte – dort werden die beiden Methoden nämlich häufig in einem Zug und ohne Alternativen genannt.
Wer trägt die Kosten?
51 % der Frauen tragen die Kosten für die Verhütung alleine – je jünger die Frau, desto häufiger zahlt sie alleine. Im Alter von 21-29 Jahren sind es ganze 61 %. Das bedeutet nicht, dass sich die restlichen Frauen die Kosten mit ihrem Partner teilen. 22 % sagen nämlich, es fallen keine Kosten für die Verhütung an weil sie nicht verhüten oder unsicheren Methoden wie "Tage zählen" vertrauen.
Wahl des Verhütungsmittels
Als wichtigstes Kriterium bei der Wahl des Verhütungsmittels nennen sowohl Frauen als auch Männer dessen Wirksamkeit, gefolgt von ungestörter Sexualität. Männer nennen den Schutz vor Infektionen als drittes ausschlaggebendes Kriterium. Frauen hingegen wählen das Verhütungsmittel vor allem angesichts dessen positiven Nebenwirkungen: Bessere Haut, weniger Regelschmerzen und planbarer Zyklus.
Kondom geplatzt?
35 % aller ungewollten Schwangerschaften passieren trotz Verwendung eines Kondoms. Das Kondom gilt gerade bei jungen Menschen als eine der beliebtesten Verhütungsmethoden, obwohl es erschreckend unsicher ist, was überwiegend auf Anwendungsfehlern zurückzuführen ist. Wird es richtig aufgezogen bietet es einen sicheren Schutz, durch falsche Handhabung verrutscht oder platzt es aber häufig und zwingt zur Einnahme der Pille danach. Trotzdem ist das Kondom eine unumgängliche Verhütungsmaßnahme für Sex außerhalb einer festen Beziehung, um vor übertragbaren Krankheiten zu schützen.
Abtreibungen pro Jahr
Zwischen 30.000-35.000 Abtreibungen werden in Österreich jährlich durchgeführt. Nur in Rumänien gibt es EU-weit mehr Abtreibungen – Österreich gilt in dieser Hinsicht als enorm rückständig, was laut Experten wie Herrn Dr. Fiala vor allem auf die mangelhafte sexuelle Aufklärung der Gesellschaft, insbesondere an Schulen zurückzuführen ist.
Kosten einer Abtreibung
Zwischen 350,00 – 800,00 € kostet eine Abtreibung, manchmal aber auch das doppelte. Die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch variieren stark, je nach Institution und durchführendem Arzt – und müssen von der Patientin selbst getragen werden. Dabei sind sie auch noch auf die "Gunst" der Ärzte angewiesen, die nicht verpflichtet sind den Abbruch auf Wunsch der Patientin durchzuführen – es sei denn, ihr Leben ist davon gefährdet.
Eine Frage des Geldes
Ob verhütet wird oder nicht ist auch eine Frage des Geldes. Denn 61 % aller Befragten, die nicht verhüten geben an, sie würden dies tun wenn dafür keine Kosten anfallen würden. ExpertInnen fordern daher die Verhütung auf Krankenschein und geben an, damit bis zu 10.000 ungewollte Schwangerschaften verhindern zu können.
Beim Thema der sexuellen Aufklärung reden ziemlich viele Akteure ein Wörtchen mit: Gesetzlich wird die schulische Aufklärung im Grundsatz zur Sexualpädagogik geregelt. Der Unterricht soll demnach fächerübergreifend und in Zusammenarbeit mit den Eltern gestaltet werden, die Kinder zur Entwicklung eigener Wertvorstellungen befähigen und über die Vermittlung des biologischen Basiswissens hinausgehen. Ein konkreter Lehrplan oder die Mindestzahl an Schulstunden werden allerdings nicht vorgegeben.
Aufklärung zwischen Comics, Youporn und der FPÖ
Trotzdem ist die Neufassung des Erlass aus dem Jahr 2015 sexualpolitisch ein Fortschritt, denn zuvor galt 25 Jahre lang ein Gesetz aus den 1970er Jahren, das 1990 nur geringfügig geändert wurde. Auf Youporn und Sexting Plattformen sind Pornos und Cybersex so leicht zugänglich wie nie zuvor, während soziale Medien drastisch zensieren und der weibliche Busen selbst im Rahmen von Anti-Brust-Krebs Kampagnen nicht zu sehen sein darf. Einen viralen Hit landete im Juni diesen Jahres die Organisation MCMA mit ihrer Videoanleitung #ManBoobs4Boobs, um zu demonstrieren wie Frau selbst ihre Brust auf Knoten untersuchen kann – die Zensur von Facebook und Instagram umging das Video, indem eine füllige Männerbrust zum Einsatz kam. Gleichzeitig werden in Aufklärungsmaterialien wie dem Film http://www.sexwecan.at nur Comic-, nicht aber reale Geschlechtsteile gezeigt. Und rechtskonservative Parteien – hierzulande die FPÖ – propagieren in ihren Parteiprogrammen überholte Familien- und Frauenbilder, die die sexuelle Selbstbestimmung vor allem in Bezug auf Gleichgeschlechtlichkeit der Partner und Kinderwunsch angreifen.
Österreich als sexualpolitisches Entwicklungsland
ExpertInnen kritisieren den zaghaften Umgang mit dem Thema Verhütung in Österreich und bezeichnen vor allem die schulische Sexualpädagogik als mangelhaft. Daraus resultiere unter anderem die überdurchschnittlich hohe Rate der Schwangerschaftsabbrüche im EU-weiten Vergleich. Herr Dr. Fiala, der Leiter des GynMed Ambulatoriums bezeichnet die schulische Sexualpädagogik als Katastrophe: „Es gibt zwar einen verpflichtenden Sexualkundeunterricht. Aber die Lehrer bekommen keine qualifizierte Ausbildung dafür und die Unterrichtsmaterialien sind mehr als unzulänglich – sie enthalten beispielsweise kein einziges Foto eines realen nackten Menschen.“
Verhütung als eine Frage des Geldes
Dass die Kosten für die Verhütung ab dem 21. Lebensjahr nicht mehr von der Krankenkasse übernommen werden fließt ebenfalls in diese Kritik mit ein. ExpertInnen warnen davor, dass sowohl Frauen als auch Männer nicht nur des Geldes wegen von der Verwendung bestimmter Verhütungsmethoden abgehalten werden, sondern auch wegen derer symbolischen Aufladung. Dementsprechend spielt beispielsweise der Wunsch nach Beteiligung des Mannes in Verhütungsfragen beim Griff zum Kondom eine Rolle beziehungsweise verhindert diesen je nach religiösem, ethnischen oder familiären Background.
Welche Methoden der Verhütung junge Menschen heute bevorzugen und weitere aktuelle Fakten und Zahlen haben wir für euch in einer Gallery aufbereitet. Die Daten entstammen dem Österreichischen Verhütungsreport 2015.