Something for the Wahlkampf

Sie singen oft atonal, dafür mit Herzblut. Ihre Band The Red River Two ist die heimische Antwort auf große, alte Männer aus Country, Blues und Rock jenseits des Großen Teiches. Sie sind Universalisten, die schreiben, texten, musizieren, singen, Theater machen und mit Musik arbeiten. Sie heißen Rainer Krispel und Ernst Molden.

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Nach einer langen Vorlaufphase in der Moldenschen Küche, in der Rainer Krispel und Ernst Molden stundenlang Songs ihrer vorwiegend amerikanischen Helden coverten, trat The Red River Two 2003 ins Rampenlicht. Was als Duo mit Krispel als Sänger und Molden als Gitarrist, Mundharmonikaspieler und zweiter Stimme begann, ist mit Rob Niedl am Schlagzeug (Rucki Zucki Palmencombo und The Neatpickers) und Marlene Lacherstorfer am Bass (Velojet, Trouble over Tokyo und Ernst Molden & Band) mittlerweile zum Quartett angewachsen. Vor kurzem ist bei Monkey ihr erstes Album „The Red River Two“ erschienen.

Am 10. Oktober wählt Wien. Rainer, du hast mal in Wien auf Bezirksebene für die SPÖ kandidiert…

Rainer Krispel: Ich kandidiere bei dieser Wahl für die SPÖ Ottakring, auf dem völlig unwählbaren Listenplatz 61 und ich tue das einen Tag bevor ich aus der SPÖ austrete. Ich trete nur noch aus freundschaftlichen und formellen Gründen an.

Das klingt nach einem Bruch?

Rainer: „Bruch" ist vielleicht zu dramatisch. Die SPÖ hat mit vielen Dingen zu

tun, die ich gut finde, wie die Kapu in Linz, die in ihren Anfängen und lange darüber hinaus ohne SPÖ so nicht möglich gewesen wäre. Gleichzeitig sind Dinge wie die „Bettelverordnung" in Wien, die Stadtwache in Linz und – immer noch – die Szene Wien und das von Harry Kopietz gestützte Muff Sopper-"Imperium" so unerträglich, dass ich nicht mehr Mitglied dieses Vereins sein will.

Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich dich nach deiner Wahlempfehlung fragen soll?

Rainer: Ich glaube, dass „Rot“ dieser Stadt noch gut täte, ich glaube aber auch, dass es kein Fehler wäre, wenn es kein absolutes „Rot“ mehr wäre. Und dann gibt’s eh nur eine Kombination, die Sinn macht!

Ernst Molden: Glaubst echt, dass die Kommunisten so viele Stimmen machen werden?

Rainer (lacht): Leider nein.

Ernst, Du stammst aus einer eher großbürgerlichen, konservativ geprägten Familie. Deine Empfehlung für die Wienwahl?

Ernst: Walter Sonnleitner, BZÖ. Ganz klar! Na, ich hab keine Wahlempfehlung. Ich zerspragel mich seit 20 Jahren zwischen „Rot“ und „Grün“ – ich werde mich auch diesmal wieder zersprageln zwischen „Rot“ und „Grün“. Das Schlimmste, was passieren kann, ist dass ich gar nix wähl…

Rainer: Ich glaube, wir hoffen insgesamt, dass auch diese Wahl gut an uns vorüber geht.

Ich geh davon aus, dass ihr popkulturell interessierten Menschen ein Begriff seid. Könnt ihr für die Unbedarften unter uns trotzdem knapp euren Werdegang umreißen?

Rainer: In meiner Familie war Musik immer präsent. Auch wenn nicht gespielt wurde, so wurde doch immer gehorcht. Und meine sehr musikalische Großmutter sang, das hat mich irre gekickt. Arik Brauer, Ludwig Hirsch, Creedence Clearwater Revival und Country-Kassetten aus Amerika waren meine Grundprägung. Nach einer kurzen Heavy Metal Phase mit Deep Purple ist dann der Punk gekommen. Und der Punk hat alles verändert. Punk bedeutet für mich das Gebot, Dinge zu tun. Und diesem Gebot bin ich seit damals gefolgt. Klassisch wie es für Österreich so ist, hatte ich als Sänger und Texter diverser Bands nie den Ansatz, davon zu leben. Die Hauptsache war immer, es zu tun und sich auszuleben und auszudrücken.

Begleitend dazu hab ich im Chelsea das Booking gemacht, hab für’s Posthof-Magazin gearbeitet, war in der Kapu in Linz als Obmann und Booker tätig. Im Subkulturellen fühl ich mich auch heute noch wohl. Und mit steigendem Alter wird das Musikmachen und Musikarbeiten ja immer lustiger, weil man a.) um die Absurdität weiß b.) um die Aussichtslosigkeit und c.) den Spass daran und die wirklich schönen Dinge, die da passieren, umso mehr genießen kann.

Ernst: Mmh, ja…Verlegerfamilie, Schriftstellerfamilie, geprägt durch den Großkonkurs meines Vaters im Jahr 1982, dann verarmte Ex-Verlegerfamilien, dafür aber dann Familie und Eltern vorhanden, was sehr angenehm war. Erste Bands im Gymnasium, ich hab immer hippiegeprägte Musik gespielt und gehorcht, viel Dylan. Nix studiert, bloß eine einzige Vorlesung bei Wendelin Schmidt-Dengler besucht, das hat mir gefallen, aber da waren so viele Leut’, dass es so gestunken hat, deswegen bin ich nimmer hingegangen und wurde Polizeireporter bei der Presse. Dabei hab` ich Wienkenntnis errungen, blutig, mühsam, scheiternd, aber doch.

Ich war dann `91 bis `93 im Schauspielhaus bei Hans Gratzer Hausautor und Dramaturg. Und bin dann freier Schriftsteller und ab `94 wieder Musiker geworden. Als Musiker bin ich jahrelang herumgekrebst, sehr uncool und mit meinen poetischen Songs auch als uncool betrachtet. Mitte der 90er war die Wiener Elektronikszene groß, es hat niemand g’wart auf an Typen mit Reitstiefeln und an Sportsakko, der deutschsprachige poetische Lieder singt. Gerettet vor der ewigen Verdammnis hat mich 2002 Rainer Krispel, der als erster g’sagt hat, das ist total leiwand und spiel bitte im Chelsea. Und dann haben wir eine Band gegründet…

Der Kollege, der im The Gap eure aktuelle CD rezensiert hat, benennt euch darin als „Menschen, die schon ordentlich vom Leben durchgebeutelt wurden“. Wie kommt er da drauf?

Rainer: Ich nehme an, dass aus Texten wie „Low today“ – sofern man sie versteht – zu destillieren ist, dass wir das Leben nicht nur als eine sonnenbestrahlte Bootsfahrt auf einen Ausflugssee erlebt haben. Aber der Sager impliziert ja auch, dass vom Leben gebeutelt nicht bedeutet, zu Boden gebeutelt zu sein, sondern dass sich die Typen noch bewegen, singen und spielen. Also der Kollege hat das richtig erkannt. Aber in die Klasse der permanenten Trenzer gehören wir nicht. Der Blues, der Punk, die haben mit Reibung zu tun, mit Zurückgeworfen werden, aber daraus lässt sich Kraft ziehen!

Ernst: Ich möchte dazu schon noch sagen, dass grad bei The Red River Two ein grundsätzliches Bekenntnis vorherrscht, das Leben schön zu finden, weil es wehtut. Rainer und ich leben irrsinnig gern, manchmal klagen wir, aber die Band ist so eine Art Feier des viel zu kurzen menschlichen Lebens.

Die Geschichte von The Red River Two?

Rainer: Es hat sich aus unserer Freundschaft ergeben, auch gemeinsam Musik zu machen, zuerst in der Moldenschen Küche…

Ernst:…da haben wir gemeinsame Lieblingslieder eruiert und zelebriert…

Rainer:….und da hat’s doch relativ große Schnittmengen gegeben. Ich hab schon eine Zeit nur Punk und Hardcore gehört, aber ich glaub, niemand, der sich für Musik interessiert. ist dann eindimensional. Wir haben beide bei Dylan, Clash, Steve Earl, Gun Club usw. angedockt und in dieser Küche gespielt.

Ernst: Wir haben zwei, drei Jahre gebraucht, bis wir mit eigenen Songs angefangen haben, dann kam die Anfrage, ob wir Oliver Welter auf seiner Tour supporten wollen. Rainer sagt, Oliver Welter war eigentlich unser Support.

Rainer: Du bist ganz schön großgoschert, i glaub ned, dass es so war…

Ernst: Dann waren die „No Cash. No hope“ Veranstaltungen, wo wir auch als Gründungsmitglieder dabei waren. Es ist immer wieder was passiert, wir haben wunderbare Supportangebote gehabt, von den Beasts of Bourbon über Vic Chesnutt bis zu den Fehlfarben. Das erste Mal im Studio waren wir um unsere Version von „La Paloma“ für die „La Paloma“-Sammlung des Labels Trikont aufzunehmen. Bei der Gelegenheit haben wir gleich unserer erste EP „Story of a heart“ aufgenommen.

Ihr bezeichnet euren Stil auf Myspace als „Country, Blues und Punk“, mir fällt noch Americana und Folk ein…was ist es wirklich?

Ernst: Mittlerweile sagen wir, es ist Rock.

Rainer: Ich find` auch, dass wir uns zu einer Rock-Band gewandelt haben….Rock ist als Begriff schon sehr tauglich. Klarerweise sind als Unterbau alle diese Stile da, die du erwähnt hast… Aber eigentlich muss ich meine Musik gar nicht definieren…

Das bringt meine nächste Frage zu Fall, weil ich wissen wollte, woher euer Amerikabezug stammt…

Rainer: In diesem Spannungsfeld England – Amerika war für mich Amerika immer viel prägender und näher. Die englische Musikrezeption mit der hysterischen Schreierei war ja auch irgendwie vertrottelt. Und der Blues wäre nie in der Form passiert, wenn ihn die Stones nicht so bastardisiert hätten. Amerika ist einfach wichtig als Bezugsrahmen. Für den Ernst sind Tom Waits und Dylan wichtig, für mich Johnny Cash, Neil Young…die sind uns sehr nahe.

Wer textet und worum geht es?

Rainer: Worum geht`s? Um eine Vielzahl von Dingen. Die Gebeutelheit, die Liebe, das Zwischenmenschliche, die Absurditäten…aber das müsste man spezifischer zu den einzelnen Songs erklären…

Ernst: Jeder Song ist ein eigener Roman. Die Texte mach` ma beide.

Es hat fünf Jahre von der ersten EP „Story of a heart" (2005) zum ersten Album „The Red River Two“ gedauert – warum?

Ernst: Na ja, wir haben uns vermehrt…

Rainer: Wir haben ja mittlerweile 17 Kinder…

Ernst: Wir haben früher mindestens die Hälfte des Programms aus Covernummern bestritten, die Schreiberei der eigenen Songs ist halt langsam passiert.

Rainer: Es gibt auch keinen Career-Plan für die Band, wir müssen nicht auf Tour gehen, wir müssen kein Video drehen…

Eure Webpräsenz ist recht mangelhaft. Auf eurer Homepage und auf Myspace sind aktuelle Konzerte so gut wie nicht erwähnt,..

Rainer: Hm, ja, da hast uns jetzt offensichtlich bei einer Schlamperei erwischt. Nicht, dass wir des Webs ignorant wären… aber ich hab lang Musikpromotion gemacht und du kannst die beste Promo machen und es kommt kein Mensch…Sichtbarkeit im Netz heißt nicht unbedingt, dass mehr rund um deine Band entsteht.

An welchen Projekten arbeitet ihr sonst gerade?

Rainer: Ich schreibe an einem kleinen österreichischen Punk-Roman, der von jungen Menschen handelt, die in einer furchtbaren Kleinstadt an dem Käfig dieser Welt rütteln, und davon, dass man bei diesem Rütteln auch untergehen kann. Das ungelöste Problem des Romans ist die Frage, wer untergeht. Es wird aber nicht so schwergewichtig, wie es jetzt klingt. Es geht auch um die heiteren Aspekte, die das Punksein und Jungsein selbst in einer komischen Kleinstadt wie Linz hat.

Ich: Das klingt nach autobiografischer Geschichte.

Rainer: Es hat natürlich viel mit mir zu tun, es ist aber eher die Autobiografie einer Gruppe, die ein sehr ähnliches Lebens- und Erlebensgefühl gehabt hat. Und mit meiner Punkband Seven Sioux arbeite ich gerade mit dem Stimmgewitter Augustin zusammen, da singt auch meine Mutter mit, und da wird’s spätestens 2013 ein Album geben.

Ernst: Mein Verlag hätte gerne einen neuen Roman von mir, das geht sich aber zeitlich nicht aus. Ich bin jetzt auf die super Idee gekommen, meine Songtexte der letzten 15 Jahre zu veröffentlichen. Das wird „Ernst Molden Liederbuch“ heißen und gnadenlos alle Texte beinhalten. Da sind auch echt ned so supere dabei… Kommentiert sind sie auch von mir. Und 2011 wird meine nächste Platte „Es Lem“ – also „Das Leben“ – von „Ernst Molden & Band“ erscheinen.

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