»Humor und Kunst passen sehr gut zusammen« – Mirela Baciak vom Steirischen Herbst über das »Herbstkabarett«

Wie die Kunst sei auch das Kabarett ein wichtiges Mittel der Subversion. Mirela Baciak, Kuratorin beim Steirischen Herbst, im Interview zum »Herbstkabarett«, einer neuen Programmschiene des Kunstfestivals.

© »Herbstkabarett« im Forum Stadtpark (v. l. n. r.): eSeL (Lorenz Seidler) »Fighting Art Fantasy« — Les Trucs »Nach uns die Synthflute« (Foto: Neven Allgeier) — Verena Dengler »Amadeus Mossad und die Probleme unserer Zeit«

Du verantwortest gemeinsam mit Miriam Schmid vom Forum Stadtpark eine neue Programmschiene beim Steirischen Herbst, das »Herbstkabarett«. Wie viel Humor verträgt ein Kunstfestival?

Mirela Baciak: Humor ist ein wichtiges Mittel der Subversion, genauso wie die Kunst es sein kann. Die beiden passen sehr gut zusammen, und obwohl die Kunst den Ruf hat, eine ernste Branche zu sein, haben Künstler*innen seit jeher in ihren Werken Humor auf unterschiedlichste Weise eingesetzt. Man denke nur an Marcel Duchamp, der 1917 sein Urinal als Kunstobjekt an die Society of Independent Artists schickte, oder an seine witzige Intervention »L.H.O.O.Q.« auf dem Bild der Mona Lisa.

Mit dem Format des »Herbstkabaretts« knüpfen wir aber an eine ganz besondere Tradition an. In Österreich waren Kabaretts in der Vorkriegszeit, in den 30er-Jahren besonders populär, aber auch nach dem Krieg, als die Gesellschaft von Unzufriedenheit, Arbeitslosigkeit und Mangel geprägt war. Im Kern bezeichnet das Kabarett eine gesprochene, gesungene, gespielte oder auch getanzte Kritik an gesellschaftlichen und politischen Zeiterscheinungen. Die Aufgabe des Kabaretts besteht darin, sich dort zu äußern, wo andere nicht einmal zu flüstern wagen. In Graz zum Beispiel hat sich in den 60ern das Ensemble Der Würfel im Forum Stadtpark einen Namen gemacht. Dessen Programm soll so bissig gewesen sein, dass es eine offizielle Verwarnung erhalten hat. Es ist also nicht ganz neu für Graz und den Steirischen Herbst. Wir knüpfen an diese Tradition an, sind uns aber bewusst, dass sich die Formen des Kabaretts analog zu historischen und gesellschaftlichen Umschichtungen immer wieder verändern.

Mit Verena Dengler, eSeL (Lorenz Seidler) und Les Trucs werden Künstler*innen auf der Bühne stehen, die man nicht unbedingt mit Kabarett assoziieren würde. Wie sind die drei Produktionen/Programme entstanden und was erwartet das Publikum?

Es war uns wichtig, Künstler*innen aus unterschiedlichen Sparten einzuladen, sich mit dem Format des Kabaretts auseinandersetzen, um möglichst unterschiedliche, zeitgemäße ästhetische Zugänge und Interpretationen zu diesem Genre zu präsentieren. Les Trucs zum Beispiel kommen aus der Musik und dem Musiktheater. Sie orientieren sich an Blandine Ebingers und Friedrich Hollaendes »Fox macabre« und werden einen kleinen, gesteppten »Danse macabre« in die Show einbauen. Verena Dengler präsentiert eine Show, in der sich historische und politische Details mit Reflexionen über die ökonomischen Bedingungen ihrer künstlerischen Existenz verbinden. Sie plant, aus gefälschten Stromrechnungen minimalistische Zen-Papierbäume (im Brechtschen Stil) zu basteln. eSeL gestaltet ein Kabarett über »Fighting Art Fantasy«, in dem er die Mechanismen des zeitgenössischen Kunstbetriebs ironisch untersucht.

Mirela Baciak, Kuratorin beim Steirischen Herbst (Foto: Helmut Wimmer)

Ganz allgemein: In welchem Verhältnis stehen Kunst und Humor für dich?

Ich glaube, Humor und Kunst sind wichtige Mittel der Subversion. Beide können als Waffe gegen Unterdrückung dienen, und der Dekonstruktion offizieller Vorstellungen von der Realität. Darüber hinaus sind sowohl Humor als auch Kunst einfach Facetten der menschlichen Kommunikation, die eine zwischenmenschliche Verbindung ermöglichen.

Ist für das »Herbstkabarett« in den kommenden Jahren eine Fortsetzung geplant?

Der Steirische Herbst ist jedes Jahr anders, das ist das Besondere an einem Festival, das sich immer wieder neu erfindet. Ob wir dieses Format also in den kommenden Jahren fortsetzen, wird sich noch zeigen.

Worauf freust du dich selbst – abseits des »Herbstkabaretts« – am meisten beim Steirischen Herbst? Welche besonderen Empfehlungen hast du als Festival-Insiderin?

Ich freue mich sehr auf die Ausstellung »Ein Krieg in der Ferne«, die in der Neuen Galerie Graz zu sehen sein wird. Dort treffen Kunstwerke aus der Sammlung der Galerie mit neu beauftragten zeitgenössischen Arbeiten zusammen. Es wird auch ein performatives Programm zur Ausstellung geben, zum Beispiel eine von Augustas Serapinas konzipierte Performance, in der es im Wesentlichen um die Poesie menschlicher Beziehungen in Zeiten des Krieges geht, oder die neue Arbeit von Giacomo Veronesi, die diejenigen in den Mittelpunkt stellt, die im Kriegsfall mobilisiert werden würden: wehrfähige junge Männer.

Der Steirische Herbst findet noch bis 16. Oktober 2022 in Graz statt. Das diesjährige Festivalthema lautet »Ein Krieg in der Ferne«. Das »Herbstkabarett« ist an folgenden Terminen im Forum Stadtpark zu sehen: eSeL (Lorenz Seidler) mit »Fighting Art Fantasy« am 1. Oktober, Les Trucs mit »Nach uns die Synthflute« am 8. Oktober und Verena Dengler mit »Amadeus Mossad und die Probleme unserer Zeit« am 15. Oktober.

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...