Man kann darüber Schimpfen, dass Street Art dem Diskurs geweiht ist. Oder man kann durch Timo Schaals neuen Bildband blättern und sich eingestehen, dass Kunst im öffentlichen Raum sowieso was für jedermann ist.
© kurznachzehn, city: Düsseldorf - Rheinufer, photo: Sebastian Hartmann
© artist: Dave the Chimp, city: Hamburg, photo: Pilot Pirx
© artist: Los Piratoz, city: Hamburg
© artist: Dome, city: Karlsruhe-Entenfang, photo: Polypix
© artist: A. Signl - Captain Borderline Crew, city: Köln
©artist: A. Signl - Captain Borderline Crew, city: Köln
artist: evol, city: Lüneburg, photo: Michael "Hage" Hagemann
© artist: Case_Maclaim, city: Schmalkalden, photo: Andreas von Chrzanowski
© artist: Aurèle B. Mechler, city: Suttgart - Nordbahnhof, photo: streetart-photography by d-w-m
© artist: Megx, city: Wuppertal, photo: Martin Heuwold
Street-Art wandert zunehmend von der Straße in die Galerien und ertappt sich dadurch dabei sich selbst zu widersprechen. Die Trennlinie zwischen Vanadlismus und Graffitti ist bei den verschiedensten Protagonisten unterschiedlich angesetzt, Kunst im öffentlichen Raum zwar ständig progressiv – dann aber doch gebremst durch seine eigene Vergangenheit und Mentalität. Street-Art wandert aber nicht nur in die internationalen Ausstellungsräume, sondern natürlich auch ins Internet.
Timo Schaal hat kein Buch über diesen kommerziellen Paradigmenwechsel verfasst, sondern in seinem Bildband "StreetArt in Germany" ein Resummée eines gewaltigen Sammelwerkes gezogen: Unter dem Pseudonym Polpyx gründete er 2011 die gleichnamige Facebook-Page und ist seither beliebter Dreh-und Angelpunkt für den Output der Szene. Der Name wirkt im ersten Moment vielleicht einfallslos, das Cover etwas unkreativ, inhaltlich überzeugt aber die Vielfahlt an unterschiedlichen Motiven, die der freie Künstler, Fotograf und DJ im Laufe der Jahre eingefangen hat. Im Interview mit The Gap kommt ein euphorischer Fotograf zu Wort, der auf seinen Reisen durch die Betonwüsten der Internationale verblüffende Schätze geborgen hat.
Unser Kommentar über "Puber" letzten Monat hat einen polarisierenden Nachhall in der Szene verursacht: Einerseits "hasse man ja diese kleinen Ratten, welche die großen Meister mit ihrer Pimperschrift übertaggen", andererseits wäre ja genau dieses "schnell, dreckig, anonym" jene Mentalität, auf der Graffiti und Street Art basiert. Wie kann man mit dieser Kluft umgehen?
Timo Schaal: Diese Tags-Diskussion finde ich ausgesprochen interessant: Die meisten nehmen sie als Schmiererei und Sachbeschädigung wahr. Für viele aber ist es Kunst und stellt den Ursprung der Bewegung dar, aus der sich die Street Art entwickelt hat. Fest steht eines: Tags und Graffiti sind ein Teil des Stadtbildes unserer Zeit. Bei manchen Tags denke ich mir auch: "Muss das sein?".
Oftmals sehe ich aber auch sehr gute Tags an sehr gut überlegten Stellen. Bei meinen Fototouren sind sie in einer für mich fremden Umgebung immer ein guter Wegweiser. Je mehr Tags ich sehe, desto mehr Street Art ist in der Regel auch in dieser Gegend zu finden. Da aber jeder mit einem Stift oder einer Sprühdose losziehen kann und nicht alle Menschen so sind, wie die Gesellschaft sie gerne hätte, wird es immer wieder Ärger geben, der auch berechtigt sein kann.
Abgesehen von ihrer Größenordnung: Was ist in Bezug auf Street Art typisch Berlin und was typisch für Wien? Und wo ist die Szene europaweit besonders lebendig?
Berlin ist europaweit eine der wichtigsten und vielfältigsten Städte, wenn es um Streetart geht, ein Charakteristikum gibt es meiner Meinung nach aber nicht. Besonders in Berlin ist vielleicht, dass neben den zahlreichen lokalen Künstlern auch so viele internationale Sprayer ihre Spuren hinterlassen. Wenn ich auf meinen Fototouren in Städten anderer Länder unterwegs bin, finde ich daher fast immer Werke, die ich auch in Berlin schon mal gesehen habe. Über die Wiener Szene kann ich kaum urteilen – ich war noch nie dort – habe allerdings eingeschicktes Material veröffentlicht. Wien ist aber definitiv eine Stadt, die ich sobald wie möglich besuchen möchte.