Tanzen in Nairobi und um die Welt

Clubkultur ist heute ein weltweites Phänomen. Ein Projekt des Goethe-Instituts bringt nun zehn Städte aus Europa und Afrika zusammen. Im Interview erzählen drei Experten erstaunliche Dinge über Rihanna, internationale Erfolge, Repressionen und das Glück am Wochenende.

Es gibt in jeder dieser zehn Städte spezifische Genres, inwieweit speisen sich diese wieder in ein globales Netzwerk zurück, funktionieren sie nach dem Prinzip der Glokalisierung?

Johannes Hossfeld: Die Städte speisen die Genres sicher in ein globales Netzwerk zurück, aber dieses Netzwerk ist wohl eher als unsystematisches, bruchstückhaftes und oft asymmetrisches zu verstehen. Einflüsse von Luanda nach Lissabon sind stark, aber nach Nairobi etwas reichen sie nicht. Lagos und Bristol sind über den Bezug auf Jamaica verbunden, aber nicht direkt untereinander.

Oder, von Nairobi aus gesehen: hier ist der Einfluss aus Nigeria und Südafrika sehr groß, aber die Musik aus Kenia wirkt derzeit wohl eher in Ostafrika, aber kaum nach Nigeria und Südafrika zurück. In den 70ern, wie Joyce berichtet, war das anders.

Joyce Nyairo (übersetzt): Benga, der Musikstil Kenias, fand starke Verbreitung sowohl in Ost- und Zentralafrika, als auch im südlichen Afrika. In den frühen 70ern war Gabriel Omolo´s Bengahit „Lunch Time“ ein großer Erfolg in Westafrika, zum einen Dank der Distribution durch Polygram, zum anderen Dank eines großes Netzwerks des panafrikanischen Austausches durch verschiedene Veranstaltungen und Events wie zum Beispiel das „Second World Festival of Black Arts and Culture“ in Lagos 1977. Die Verbreitung von Benga im südlichen Afrika wurde vor Kurzem erst unter Beweis gestellt, als die südafrikanische Musikgruppe Freshly Ground zusammen mit Shakira den Rhythmus des Benga für ihre Weltmeisterschaftshymne von 2010 „Waka Waka“ übernommen haben.

Inwieweit beherrschen EDM, Rihanna und auch Psy diese Städte?

Bill Odidi (übersetzt): Nairobi nimmt, mehr noch als andere afrikanische Städte, schnell globale kulturelle Trends auf. Der dominierende Sound in den Clubs hier ist immer mehr House und Techno im europäischen Stil, der einen Platz besetzt, der zuvor durch US-amerikanischen R & B beherrscht wurde.

Die Elektronik-Szene wird vor allem von einem Produzent namens Wawesh Mjanja verfochten, der mit Acts wie Bamzigi, Just A Band, Muthoni The Drummer Queen und Camp Mulla arbeitet. Die Musik ist elektronisch mit einem sehr deutlichen Hip-Hop-Einschlag. Anderswo auf dem Kontinent wurde elektronische Musik international, wie im Fall der nigerianischen D’Banj (Oliver Twist), einer Fusion von afrikanischen Tanzmusik wie Highlife.

Ja, Rihanna schmettert aus den Radios hier, genauso wie überall sonst auf der Welt, aber ihren tatsächlichen Einfluss auf die Musik müsste sehr begrenzt sein. Im Fall von Psy muss man nur die Gangam-Style-Version einer ivorischen Band namens Aaninka auf Youtube sehen – und man will die koreanische Version nie wieder zu sehen.

Auf den ersten Blick scheint Clubkultur in Berlin eine sehr spezielle Funktion zu haben, die sich nur schwer mit Luanda oder Lissabon vergleich lässt, wo sind die Gemeinsamkeiten?

Johannes Hossfeld: Ein Vergleich lässt sich erst anstellen, wenn man sehr genau hinschaut, was Clubkultur an verschiedenen Orten bedeutet hat. Da müssen wir den Forschungsprozess noch etwas abwarten. Auf unserem Seminar in Nairobi im April, wenn alle Autoren aus den zehn Städten das erste Mal zusammen kommen, werden wir schon mehr sagen können. Was unseren Ansatz angeht, sind es jedoch eher die sehr lokalen Funktionen, die uns interessieren, die ganz spezifischen Funktionen die Clubkulturen an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen Zeiten übernommen haben.

Das Projekt ist seriell angesetzt und will einen Vergleich ermöglichen, aber es zielt nicht unbedingt darauf, Gemeinsamkeiten zu finden. Es geht uns eher darum, lokalisierte Geschichten von Städten und ihren Gesellschaften über den Brennspiegel Club zu erzählen, als eine allgemeingültige Metadeutung des Clubbens anzubieten, der auf einer abstrakten Ebene alles gleich ist.

Bild(er) © www.ten-cities.com
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