Clubkultur ist heute ein weltweites Phänomen. Ein Projekt des Goethe-Instituts bringt nun zehn Städte aus Europa und Afrika zusammen. Im Interview erzählen drei Experten erstaunliche Dinge über Rihanna, internationale Erfolge, Repressionen und das Glück am Wochenende.
Ist in den fünf Städten in Afrika (Club-)Musik auch eine Option um aus der Armut herauszukommen? Und welche Netzwerke werden dort vorwiegend genutzt um Musik zu verbreiten? Youtube? Soundcloud? Tapes?
Johannes Hossfeld: Die Netzwerke sind von Ort zu Ort doch sehr unterschiedlich. Wir waren gerade mit Ten Cities in Johannesburg und wir wussten, wie groß etwa House dort ist. Aber wir waren doch überrascht zu sehen, wieviel CDs sie verkaufen und wie professionell sie organisiert sind. In Nairobi und Lagos wird alles sofort kopiert und ist auf den Straßen als zu kaufen und in Internetcafes auf die Mobile Phones zu laden. Hier verdienen Musiker eher durch Auftritte.
Joyce Nyairo (übersetzt): Jede Art von Handel in Afrika ist eine Möglichkeit, der Armut zu entkommen. Dies ist jedoch in keinem Fall der ausschlaggebende Grund um Musiker zu werden. Leute werden Musiker, weil sie etwas zu sagen, weil sie ein Talent und eine Fähigkeit haben. Diese Werte der kenianischen Musikindustrie folgten niemals wirklich dem Modell der europäischen Musikindustrie. Sogar in den 60er und 70er Jahren, als große Labels wie EMI, CBS und Polygram in Nairobi vertreten waren, war es immer noch nicht möglich, zwischen Herausgeber und Produzent zu unterscheiden. Einige der erfolgreichsten Independent-Musiker, berühmt in Nairobis River Road, waren nicht nur Songwriter, sondern auch Produzenten, ihre eigenen Händler und gleichzeitig Studiobesitzer.
Musik wird über verschiedene Plattformen vertrieben. Das Internet und seine Verbreitungsmöglichkeiten werden im gleichen Maße genutzt, wie der städtische Buspark, Marktstände (wo CDs mittlerweile beliebter sind als Kassetten) und Frisörsalons.
Johannes Hossfeld: Auch in der gegenwärtigen Szene ist Geld kaum ein Motiv fürs Musikmachen. Die Beat-Produzenten in Nairobi kommen hier übrigens eher aus der Mittelschicht, sind gut situiert, sind zur Uni gegangen und suchen wohl kaum den Profit durch Musik – Geld machen sie eher mit anderen jobs wie Design, Grafik, Fotografie etc. wie etwa unsere Hauptteilnehmer Just A Band.
Joyce Nyairo (übersetzt): Wenn Architekten wie Nameless oder Joy Mboya oder eine eine hochqualifizierte Chemikerin wie Lynette Achieng Abura ihren Beruf aufgeben, um professionell Musik zu machen, dann ist klar: es geht ihnen um die Kunst, wohl kaum ums Geld.
In welchen der zehn Länder ist man besonders mit behördlichen Auflagen oder auch staatlicher Repression konfrontiert?
Joyce Nyairo (übersetzt): Die Beziehung der kenianischen Regierung zu Musikern war und ist niemals geradlinig und einheitlich. Seit der Liberalisierung der Radiostationen haben wir ohne Zweifel größere Freiheiten, Musik aufzunehmen und zu vermarkten; dies ging jedoch nicht einher mit größerer Unterstützung für Künstler und ihren beruflichen Anforderungen an die Regierung.
Seit den gewalttätigen inner-kenianischen Auseinandersetzungen, die den umstrittenen Wahlen 2007 folgten, und Versuchen seitens der Regierung nationale Versöhnung zu unterstützen, wurde ein stärkerer Fokus auf “hate speech” gelegt und im Jahr 2011 sorgte die Grauzone, die sich daraus ergab, dafür, dass drei Musiker angeklagt wurden. Ihre Fälle wurden jedoch fallen gelassen, weil die National Cohesion and Integration Commission den Fall übernommen hatte.
Clubmusik ist in Mitteleuropa zumeist instrumentale Musik, außerhalb davon auch Träger von Text und offenen Forderungen?
Joyce Nyairo (übersetzt): Afrikanische Musik auch im Clubbereich hatte immer einen aussagekräftigen Charakter und äußerte sich zu einem großen Spektrum an Themen, wie Politik, Sozialem und menschlichen Beziehungen. Und auch wenn Künstler nicht unbedingt eine klare politische Aussage beabsichtigt hatten, hat das Publikum manchmal die Songs in einer Weise genutzt, um ihnen eine politischen Bedeutung zu geben. Beispiele für so eine Aneignung von Seiten des Publikums sind „Unbwogable“ von Gidi Gidi Maji Maji aus dem Jahr 2002 und bei Esther Wahome´s Hit „Kuna Dawa“ von 2005.
(Vgl. Auch Nyairo & Ogude (2005) „Popular Music, Popular Politics: `Unbwogable´ & the Idioms of Freedom on Contemporary Kenyan Popular Music”, African Affairs, Vol 104, No. 415, pp. 225-249; Nyairo, 2008. “Kenyan Gospel Soundtracks: Crossing Boundaries, Mapping Audiences”, Journal of African Cultural Studies, Vol 20, No. 1 pp.71-83.)
Dr. Joyce Nyairo ist eine kenianische Kulturwissenschaftlerin und eine der AutorInnen im Forschungsteil des Projektes TEN CITIES.
Johannes Hossfeld ist Leiter des Goethe-Instituts Kenia und Projektleiter von TEN CITIES.
Bill Odidi is a Chief Radio Producer with the Kenya Broadcasting Corporation (KBC) in Nairobi. He was trained as a journalist in India, Egypt and Kenya and has over 10 years experience in radio, television and print media. He is also a writer for the TEN CITIES Research part.