26 Begriffe, die man zum 40. Bachmannpreis heuer gelesen – oder zumindest kurz durchgeklickt – haben sollte.
A wie Aberglaube
Dass die Lesereihenfolge ausgelost wird, wird bekannt sein. Aber der Aberglaube, der besagt, dass ein Leseplatz am ersten Tag einem Todesstoß für den Wettbewerb gleiche, vermutlich eher nicht. Und statistisch ist das Gerücht mit Tendenz zur Wahrheit jetzt anscheinend auch noch abgesichert – zumindest wurde von Kathrin Passig unterm Hashtag zur Veranstaltung ein Googlesheet in Umlauf gebracht, das Folgendes schlussfolgert: „Am ersten Lesetag (von drei) liegen die Bachmannpreis-Chancen zwischen 0% und 6%. Am zweiten Tag liegen sie zwischen 4% und 15%, am dritten Tag zwischen 2% und 12%.“
B wie Bachmann, Ingeborg
Vorschlag: Einfach einmal den Namen Ingeborg in ein Partygespräch einwerfen. Was dann passiert, ist ein ziemlich guter Gesinnungstest für das Gegenüber. Ob dieses nämlich sofort den Nachnamen Bachmann ergänzt oder das Gespräch auf eine alte Frank Zander-Werbung lenkt („Deine ganz spezielle Geburtstags-CD, liebe Ingeborg“), dürfte essentiell für den weiteren Verlauf der Unterhaltung sein. Wir sind Optimisten und gehen mal von ersterem Fall aus – d.h. die Schriftstellerin, zu deren Ehren der „Ingeborg-Bachmann-Preis“ im Rahmen der „Tage der deutschsprachigen Literatur“ seit Mitte der 1970er verliehen wird – ist bekannt und die Party kann somit weitergehen.
C wie Chaos
Vorlesen ist in Klagenfurt nicht mehr als sitzen und dabei Laute aussprechen – könnte man meinen, und die meiste Zeit ist das auch der Fall. Einige Teilnehmer des Wettbewerbs haben über die Jahre allerdings „Variationen“ davon ausprobiert: Zum Beispiel ritzte sich im Jahr 1983 Rainald Goetz – während seines Vortrags – die Stirn und las blutüberströmt weiter. Und auch recht schlecht verdaulich für Auge und Ohr hielt es einst Autor Philipp Weiss, der sein Manuskript zum sehr kontrovers aufgenommenen Text „Babyficker“ 2009 schlussendlich aufaß.
Ebenfalls recht chaotisch abgelaufen, ist das erste Mal der "Tage der deutschsprachigen Literatur“ überhaupt: Bei der ersten Ausgabe des Wettbewerbs im Jahr 1977 hielt sich tatsächlich hartnäckig das Gerücht, dass der Preisträger vorab bereits feststehen würde. Deswegen hat man ungefähr die beste Möglichkeit aller Möglichkeiten gewählt und den eingeladenen Autoren einen Brief geschickt, in dem eben genau das dementiert wurde. Eine vielleicht sehr deutsche bzw. österreichische, aber durchaus legitime Herangehensweise – Was Brief hat, das gilt.
D wie Daten
Liebe Fans von Zahlen: Folgende Exemplare sind im Rahmen der Verleihung des Bachmannpreises 2016 bitte auf dem Handrücken zu notieren: - 40. Jubiläum des Bachmann-Preises - 90. Geburtstag von Ingeborg Bachmann - 28. Live-Übertragung von 3Sat (heuer auch im ORF und 3Sat Livestream) - 25 Minuten beträgt die maximale Lesezeit für die Teilnehmenden - und eine Emailadresse und eine Begründung von max. 400 Zeichen braucht man, um für den Publikumspreis zu voten (möglich ist das am 2. Juli zwischen 15 und 20 Uhr auf bachmannpreis.ORF.at, 3sat.de, bks.at, klagenfurt.at oder musilmuseum.at)
E wie Eröffnungsreden
Eröffnungsreden sind lahm, Wordraps aber auch – nur schon ein bisschen weniger, wie man gestern beim sonst recht steifen Eröffnungsbrimborium gesehen hat. Tatsächlich lockerte Moderator Christian Ankowitsch die Formalitäten ein wenig auf, indem er die Politiker und Sponsoren selbst tätig werden ließ und sie um ein kurzes Statement mit fünf Reizwörtern bat. Hier kann man sich den gestrigen Auftakt übrigens nochmal geben.
F wie Fünfundzwanzigtausend Euro
Angefangen hat alles in Schilling. Auf 100.000 Schilling belief sich das allererste Preisgeld für den Bachmannpreisträger, was laut Umrechner "7.267,28" in Euros wäre. Gleich der Inflation ist also auch das Zubrot für die beste Schreibkunst in Klagenfurt mit den Jahren angestiegen: Denn 25.000 Euro sind mittlerweile zu holen. Auch nicht uninteressant: Wenn folgende Rechnung stimmt, kommt man beim Dividieren der 12, 5 Hypo-Milliarden durch das Bachmannpreisgeld auf den Fun-Fact, dass man damit 500 000 Bachmannpreise hätte vergeben können. Naja, immerhin gibt es drei weitere Möglichkeiten zu gewinnen: den Kelag-Preis mit 10.000 Euro, den 3sat-Preis mit 7.500 Euro und den BKS-Bank-Publikumspreis mit 7.000 Euro.
G wie Geschlechtsverkehr
“Wenn zwei Menschen aufeinandertreffen, droht Schlafgemach (Sexszene) oder Ungemach (Dialog)“. Bei diesem Konditionalsatz muss man sich erstens fragen, ob es in der Literatur jemals eine treffendere Aussage zum Thema Beischlaf gegeben hat und zweitens wissen, dass diese schöne Beobachtung von der Autorin Angela Leinen stammt. In ihrem Buch „Wie man den Bachmannpreis gewinnt“ analysierte sie die Texte aus dem Wettbewerb hinsichtlich ihrer Stoffe. Hier die Quelle zur sehr lesenswerten Besprechung.
H wie Haider
Man könnte drumherum reden, aber es ist sowieso klar: Die Veranstalter des Bachmann-Preises sind keine Fans von Haider gewesen – laut dem Archiv des Wettbewerbes wurde der Besuch Haiders – als damals neuer Landeshauptmann – mit „tosender Stille“ quittiert.
I wie Inszenierung
Dieses Jahr gibt es sehr viele Bemühungen des Wettbewerbteams, auf Social Media aktiv zu sein: Snapchataccount, Instragramaccount (tddl16 – mit aktuell 18 Abonnenten) und Content, Content, Content! Zum Beispiel Fotos von den Bücherregalen der Teilnehmenden, die nicht selten recht unmotiviert ausgefallen sind. Hier noch ein Lesetipp, wie Autorenfotos am besten aussehen sollten. Pro-Tipp: Die Hand immer ans Kinn.
J wie Jury-Streit
Break-Up-Szenen gibt es nicht nur in GZSZ, auch der Bachmannpreis bleibt nicht von Trennungen verschont. Sicher verläuft das Ganze – im Rahmen des Literaturwettbewerbs – eher weniger in Richtung "Ich liebe dich, aber wir müssen Schluss machen, weil mich jetzt doch plötzlich stört, dass du mein verschollener Vater bist" – sondern mit etwas mehr Stil. Als kurzfristig entschieden wurde, dass nicht Daniela Strigl, sondern Hubert Winkels den Juryvorsitz künftig übernehmen würde, verabschiedete sich die Kritikerin mit guten Wünschen für die Zukunft.
K wie Kleidung
Auch für einige Lacher vorab hat die Frage des Presseteams, was die Autoren nach Klagenfurt zum Anziehen mitbringen werden, gesorgt. Beste Reaktion von Teilnehmer Marco Dinic: "Bescheuerte Frage! Ist der Bachmannpreis ein Modewettbewerb?"
L wie Literatur
Bei der gestrigen Eröffnung hörte man vor allem einen Begriff immer wieder: "Gegen Sprachverhunzung". Wie die Qualität der literarischen Beiträge der Teilnehmer aussehen, darüber sind die Meinungen stets auseinander gegangen. Vor allem dem humoristischen Element, das zum Beispiel Teilnehmer wie Sargnagel oder Meyerhoff in den Bewerb brachten, werden immer noch schlechtere Gewinnchancen ausgerechnet.
M wie Masochismus
Neben der Qualität darf sich die lit-affine Veranstaltung auch regelmäßig Vorwürfe zur angeblichen Langatmigkeit des Bewerbes anhören. Etwas Pein muss sein. Auf beiden Seiten. Oder wie es Thomas Grasberger von der Münchner Abendzeitung im Jahr 1997 ausdrückte: "Ein bißchen Masochismus gehört immer dazu in Klagenfurt. Die einen sitzen sich auf Holzbänken den Hintern wund, um stundenlang Kaskaden von recht unterschiedlich gelungenen Texten über sich ergehen zu lassen. Andere stellen sich als Juroren der laufenden Kamera, um zu demonstrieren, wie halbseiden ihre Profession mitunter sein kann."
N wie No
Nein sagen zur Einladung? Kann man auch machen. So wie Joachim Zelter im Jahr 2008. Auch trat die von Burkhard Spinnen eingeladene Autorin Gabriele Petricek von ihrer Teilnahme zurück, weil Teile ihres Beitrags (gegen die Regeln des Wettbewerbs) bereits vorab aufgetaucht sind.
O wie ORF
Einfach unkompliziert – passt nicht nur zum undefinierbaren Facebook- Beziehungsstatus, sondern beschreibt auch das Verhältnis des ORF zum Bachmannpreis ganz gut. Im Zuge von Sparmaßnahmen wurde im Jahr 2013 diskutiert, ob der Bachmannpreis abgeschafft werden soll – geschehen ist es dann aber doch nicht. Es braucht trotzdem einen Kraftakt mehrerer kostbarer Minuten, um herauszufinden, wie man jetzt zu seinem Bachmannpreis-Screening kommt. Die Antwort ist: Lieber gleich zu 3Sat zappen. Weitere Infos zur Übertragung und Berichterstattung gibt es hier.
P wie Public Viewing
Nicht nur die EM sollte gemeinsam vor freistehenden Leinwänden abgefeiert werden, auch der Bachmannpreis dürfte nur an Suspense gewinnen können, wenn man die Lesungen wieder im Kollektiv verfolgt. Laut offizieller Webseite der Veranstaltung geht das derzeit in Klagenfurt im Garten der ORF Landesstudios Kärnten und im Lendhafen beim Lendauer. Außerhalb der Grenzen gibt es Public Viewing noch im Literaturhaus Rostock – und auch ein Café in Berlin unterstützt auf diese Weise die Autorin Sharon Dodua Otoo. Live im ORF Landesstudio vorbeischauen, geht aber auch. Ticktet braucht man keines, es wird aber empfohlen, 20 Minuten vor den öffentlich zugänglichen Lesungen zu kommen.
Q wie Quälen
Heutzutage ist ja eher Feinwäsche-Schongang angesagt – die Juryurteile der Anfangsjahre hatten es noch deutlich mehr in sich. Unvergessen bleibt Marcel-Reich-Ranickis bekannteste Quälerei mit seinem umstrittenen Kommentar: "Wen interessiert schon, was die Frau denkt, was sie fühlt, während sie menstruiert?“. Gemeint war damit der Text der Autorin Karin Struck, den der berühmt-berüchtigte Literaturkritiker weiters als „Verbrechen“ bezeichnete und damit die Autorin weinend aus dem Studio trieb.
R wie Regeln
Der Fightclub hat vielleicht nur eine Regel, beim weniger handgreiflichen Wettlese-Bewerb in Klagenfurt sieht das aber anders aus. Unveröffentlicht muss der Prosatext sein und im Original in deutscher Sprache verfasst – auch das Zeitlimit darf nicht beim Lesen überschritten werden. Ursprünglich mussten sich die Juroren außerdem noch adhoc zu den vorgetragenen Texten äußern – jetzt dürfen sie vorher reinlesen. Auch für alle anderen sind die Texte – mit Beginn jeder Lesung – online als PDF verfügbar.
S wie Sargnagel
"Ich hab mit meinen Freunden Bachmannpreis gespielt und sie waren die ur schlimme Jury", las man, bevor der Wettbewerb losging, auf der Facebook-Wall von Stefanie Sargnagel – Universalgenie und IT-Girl (so nach Nachfrage ihre zurecht bevorzugten Bezeichnungen). Schon vorab war klar, dass diese Lesung einer der richtig guten Gründe sein wird, um reinzuzappen. In den Text „Penne im Kika“, den sie als Erste um 10 Uhr vorgetragen hat, kann man übrigens hier reinlesen. Dass Sargnagel beim diesjährigen Bachmannpreis unter den Teilnehmern ist, nennt man übrigens auch eine klassische Win-Win-Situation. Gewinnt sie – yeah, verliert sie (leider) – kann man sich immer noch auf folgende Ankündigung der Autorin freuen: „also wenn wer anderer gewinnt, werde ich meine entäuschung nicht überspielen. ich find das immer so unangenehm bei medial verfolgbaren wettbewerben, wenn man sieht wie die verlierer verkrampft ihre missgunst verstecken zu versuchen. wenn ich verliere, werde ich laut weinen, meinen text zerreißen, drauf treten und den gewinner sowie alle jurymitglieder fest schubsen.“
T wie #tddl16
Hashtagkonfusion ist ein trauriges Kapitel, das vor allem wiederkehrende Veranstaltungen trifft. Wer’s nicht gecheckt hat, irrt heuer also wieder auf #tddl herum (ist aber vermutlich trotzdem ein wertvoller Mensch). Dieses Jahr hat sich FM4 gleich an #tddl16 angehängt und zum Twitteratur-Bewerb aufgerufen. Maximal 140 Zeichen und eben der richtige Hashtag sind Voraussetzung für die Teilnahme – durchaus eine Herausforderung. Die restlichen Regeln gibt’s hier.
U wie Unsichtbarer Autor
Wessen Steckenpferd es ist, sich nicht zu zeigen, der sollte seine Prinzipien auch nicht für den Bachmannpreis aufgeben. In diesem Sinne ließ sich Musiker und Autor Peter Licht bei seiner Lesung im Jahr 2007 nur von hinten filmen. Kurioses Bildmaterial inklusive – zum Beispiel ein dazwischen gestreutes Standbild von Scheinwerfern. Die beste Einblende bleibt allerdings: "PeterLicht/D – will sein Gesicht nicht zeigen".
V wie Verkauf von Büchern der Siegerautoren
Wer den Bachmannpreis gewinnt, der in Buchverkäufen schwimmt? – Ganz so einfach funktioniert die Welt der Literatur dann doch wieder nicht. Aber geschadet hat es den Buchumsätzen vor allem bei Sten Nadolny und seinem Werk "Die Entdeckung der Langsamkeit" nicht: 1,7 Millionen Stück gingen über die Ladentheke. Auch Maja Haderlaps "Engel des Vergessens" ist schon 90.000 Mal verkauft worden. Nicht zu gewinnen zahlt sich aber auch aus: Joachim Meyerhoffs erste beiden Romane haben sich 500.000 Mal verkauft. Mehr Informationen dazu auf der ORF Kärnten-Seite.
W wie Wörthers
Die Literatur und der Strand gehören halt doch irgendwie zusammen. Vor dem Landesstudio wurde zumindest Sand aufgeschüttet – und in Interviews entgrenzt sich die Teilnehmerschaft am liebsten an den Wörthersee. Stummes H nicht zu vergessen.
X wie XX-Chromosom
Jetzt bitte kurz innehalten und überlegen, wie viele Autorinnen und wie viele Autoren man sich bei einem Gesamtstand von 169 vergebenen Bachmannpreisen erwarten würde?
Hier kommt die Auflösung – Der Status Quo zwischen den Geschlechtern sieht derzeit so aus: Es gab bisher 69 Bachmannpreisträgerinnen und 100 Gewinner.
Y wie Y, Generationsliteratur
Generation Y – Einer dieser Generationenbegriffe, die man ohnehin mit Vorsicht genießen sollte – Lektüreempfehlung bitte hier beachten. Seit Ronja von Rönne dabei war und andere junge Autorinnen und Autoren folgen, scheinen die Feuilletons nichts Besseres zu tun zu haben, als über deren angeblichen Generation Y-Zugehörigkeit zu philosophieren. So beschreibt das auch Margarete Stokowski. Hypen, Hypen, Hypen – Made by Journalismus.
Z wie Zeitgleiche Konkurrenz
In Kärtnen wird in Wörthersee-Nähe nicht nur gelesen, sondern auch gemalt. Genauer gesagt: Nackte Körper bemalt. Richtig, Bodypainting hat sein eigenes Festival. Ist für viele wahrscheinlich leider geil (um es mit einem Deichkind-Song zu sagen) – also rahmenprogrammtechnisch.
Richtig, das ist ein "A bis Z" zu den Tagen der Deutschsprachigen Literatur. Wir konnten einfach nicht anders als dem Verlangen, das Alphabet mit Bachmannpreis-Facts neu zu beleben, nachzugeben.
Die Tage der deutschsprachigen Literatur, in deren Rahmen der Bachmannpreis verliehen wird, finden noch bis 3. Juli 2016 in Klagenfurt statt. Genauere Infos zum Programm gibt es hier.