"The next big thing"

Peter Tschmuck, Kurator der Wiener Tage der Musikwirtschaftsforschung, im Interview über Urheberrecht, Kulturflatrate und die Zukunft des Musik Business…

Es soll also zukünftig eine Gesellschaft für alles geben; aber mit "alles" sind nur Major-Kataloge gemeint? Die besitzen die verkaufsstärksten Kataloge … noch. Aber tatsächlich liegt die große Masse produzierter und lizensierter Musik doch längst bei vielen kleinen Katalogen, sprich Indie-Labels …

Zum einen gibt es den Indie-Zusammenschluss Merlin, der auch an der GRD mitarbeitet. Sie sind auch keine unbedeutenden Player, was die Musiklizensierungen anbelangt, wobei hier Labels vertreten sind, die auch wirtschaftlich bereits ziemlich erfolgreich sind, wie Rough Trade. Der Großteil der freien Indie-Szene wird bei diesen Entwicklungen Probleme bekommen.

Was heißt das genau: verkaufen oder verdrängt werden?

Es geht ja darum, alle gängigen Streaming Services zu lizensieren und die brauchen v.a. die gängigen Hits. Man sieht hier das Prinzip: "Long Tail" – ein paar Titel werden rauf und runter gespielt; dennoch sollte ein Streaming Service wenigstens 20.000 Titel im Repertoire haben, um zu bestehen. Sie werden nicht mit allen einzelnen Indie-Bands in Kontakt treten.

Das können die Bands aber selbst tun … und tun sie auch.

Natürlich gibt es die Möglichkeit auch, allerdings – was die Provider wirklich wollen, sind eben auch die großen Kataloge. Und deshalb stellen sich die Kataloginhaber neu auf, um in einer guten Verhandlungsposition zu sein. Denn sie wissen ganz genau, dass die Streaming Services in Wirklichkeit finanzschwach sind. Sie halten sich nur mit Risikokapital über Wasser, aber immer hin.

Sie haben deren Finanzlage ja auf Ihrem Blog genau dargelegt…

Und die Majors haben nun eines verstanden – und das ist der Unterschied zu früher, als sie diese Modelle für nicht überlebensfähig hielten: Als Apple mit iTunes an den Markt ging, wurde es lizensiert von den Majors, es sollte als Gegenpol zum Filesharing wirken. Aber sie übersahen, dass Apple in kürzester Zeit so mächtig wurde, dass die Majors plötzlich vor "verschlossenen Türen" standen und Apple die Bedingungen diktierte. Eine solche Entwicklung wollten sie nun mit Streaming Services vermeiden. Sie reagierten: sie kauften sich bei diesen Unternehmen ein – 18 % des Gesellschafterkapitals von Spotify ist in Händen der Majors und von Merlin.

Wenn also Spotify "the next big thing" sein sollte, sind sie mit von der Partie. Oder aber Spotify geht an die Börse , sowie Pandora z.B. – der US-amerikanischer Streaming Service – und sie profitieren von der Börsenkapitalisierung. Auf jeden Fall können sich die Majors diesbezüglich jetzt zurücklehnen. Deshalb wird in den Berichten der Industrieverbände eine solche Euphorie über Streaming Services verbreitet – eine ganz andere Kommunikation also als noch vor fünf Jahren.

Eine Marketing-Kampagne also im eigenen Interesse…?

Natürlich. Auf der anderen Seite verlangen sie hohe Lizenzgebühren von den Streaming Services – im Moment sind das z.B. bei Spotiy 70 Prozent von deren Umsätze.

Womit wir beim Thema Urheberrechte wären. Was halten Sie von den Creative Commons?

Darin sehe ich eine echte Alternative, insbesondere für Indie-Künstler, -labels und -verlage, weil ich glaube, dass es in Zukunft gar nicht mehr möglich sein wird, mit den musikalischen Inhalten selbst Geld zu verdienen. Das zeigt die Digitalisierung immer stärker an. Es geht nicht mehr darum zu sagen: das ist meins und du musst bezahlen, wenn du es benutzen willst. Wenn ich mir ansehe, welche Mikrobeträge durch solche Geschäfte z.B. von Spotify und anderen Services für Künstler erwirtschaftet werden – das kann sich nicht rechnen auf lange Sicht. Die flexibleren Lizensierungsmodule der Creative Commons ermöglichen aber, dass sich Musik in einer anderen Form leichter verbreiten lässt.

Und eben auch durch andere Künstler, die durch Cover, Sampling etc. promoten.

Creative Commons geben den Künstlern sowohl die Möglichkeit einer klassischen Lizensierung als auch flexible, modulare Lizensierungen und ermöglichen damit, dass das Produkt verändert und evtl. auch kommerziell verbreitet und vermarktet werden kann. Nun hat man die Möglichkeit, es sich aus zu suchen.

Und die Rechteinhaberschaft ist transparent…

Natürlich wird es auch mit den Creative Commons noch Rechtsstreits geben, wenn Rechte verletzt werden, aber auch die werden rechtlich vertreten. Creative Commons funktionieren nicht ohne das Urheberrecht, bauen aber darauf auf und erweitern es. Nur, die Verwertungsgesellschaften haben ein Problem damit, denn sie bestehen auf der exklusiven Werknutzung. Wenn ein Künstler bei einer Verwertungsgesellschaft den Wahrnehmungsvertrag unterschreibt, muss er sämtliche Rechte, die die Gesellschaft für ihn wahrnimmt, an diese übertragen.

Also schließen die Lizenzverträge der Verwertungsgesellschaft Creative Commons aus?

Ja. Ich kann nicht gleichzeitig Mitglied einer Verwertungsgesellschaft sein und Creative Commons lizensieren. Deshalb gibt es die Initiative Cultural Commons Society-C3S (Anm. der Redaktion: dazu Konferenzgast Meik Michalke), die eine Verwertungsgesellschaft für Creative Commons aufbauen möchte. Mit den Bestehenden ist es schwer bis gar nicht möglich, darüber in Verhandlung zu treten. Die verschiedenen Verwertungsgesellschaften sind da unterschiedlich streng eingestellt – die Buma in den Niederlanden lassen sich z.B. schon eher darauf ein, die GEMA ist besonders strikt, die österreichische Lösung ist: "Eigentlich nicht, aber wenn wer will, reden wir mal drüber." (Lacht)

Weiter: Peter Tschmuck über "Abschöpfungsstrategien" der Majors und die neue Rolle der Künstler…

Bild(er) © Peter Tschmuck, Vienna Music Business Research Days
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